München – Es ist mehrmals im Jahr das gleiche Schauspiel: wenige Wochen vor den Stillen Feiertagen in Bayern – es sind neun an der Zahl – entflammt die Debatte darum erneut. Ist es noch zeitgemäß, das Feiern an diesen Tagen zu verbieten? Warum gilt hier nicht die so oft zitierte “liberalitas bavarica”, die bayerische Maxime des Leben und leben Lassens?

Spätestens seit einem Bundesverfassungsgerichtsurteil vor acht Jahren ist es auch in München nicht mehr ganz so still an den Stillen Feiertagen. Dafür sind allerdings die Auflagen hoch und der Aufwand, für jede Veranstaltung eine Sondergenehmigung zu erhalten.

Stille Feiertage in München: 47 Veranstaltungen und eine Demonstration geplant

Auch jetzt am Osterwochenende ist in München wieder viel los: Insgesamt 47 Veranstaltungen hat der Bund für Geistesfreiheit München (BFG) in Zusammenarbeit mit Clubs und Bars auf die Beine gestellt. Am Gründonnerstag allein sind es 14 Veranstaltungen im Rahmen der “Clubrevolution – Gegen das Tanzverbot an Feiertagen”. Mit dabei sind unter anderem die Milchbar, das Pacha und der Sweet Club.

Bereits am Nachmittag um 16 Uhr gibt es auf dem Königsplatz eine Demonstration gegen das Tanzverbot und für die Trennung von Kirche und Staat unter dem Motto “Holy Shit – Let us dance!”. Organisiert wird sie von Ravestreamradio, einem Münchner DJ- und Veranstaltungskollektiv.

Lassen mit ihrer Musik auch mal die Luft erzittern: Jakob (r.) und Bene von Schlachthofbronx.
Lassen mit ihrer Musik auch mal die Luft erzittern: Jakob (r.) und Bene von Schlachthofbronx.
© Kevin Riedl
Lassen mit ihrer Musik auch mal die Luft erzittern: Jakob (r.) und Bene von Schlachthofbronx.

von Kevin Riedl

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Lauteste Musiker Münchens: Tanzverbot “ist aus der Zeit gefallen”

Muss es denn wirklich laut sein an den Stillen Feiertagen? Diese Frage hat die AZ den Münchner Lautstärke-Experten schlechthin gestellt: Jakob und Bene (Nachnamen geheim) von der Schlachthofbronx. Sie bringen zum Beispiel mit ihrem eigens für die “Blurred Vision” (dt. verschwommene Sicht, d. Red.)-Reihe gebauten riesigen Soundsystem im wahrsten Sinne des Wortes die Luft zum Zittern. Das nächste Mal wird das am 5. Mai in der Muffathalle zu hören und vor allem zu erleben sein.

Sie haben “prinzipiell gar nichts” gegen Feiertage, sagt Jakob. Aber: “Menschen vorzuschreiben, wie sie sich zu fühlen haben an bestimmten Tagen oder zu regeln, welche Gefühlsäußerungen und Veranstaltungen an welchen Tagen nun erlaubt sind (und welche nicht), das ist einfach aus der Zeit gefallen.”

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Musiker aus München: Tanzverbot ist “eher schrullig”

Die beiden sind auch sehr viel international unterwegs mit ihrer Musik, geben zum Beispiel Konzerte in Mexiko oder Brasilien – beides sehr katholische Länder. Man kennt dort die strengen Tanzverbotsregeln meist nicht. Aber: “Verglichen mit dem europäischen oder westlichen Selbstverständnis von Ausgehverhalten oder Partys wirkt so ein Tanzverbot natürlich eher schrullig”, findet Jakob.

Trotzdem kennen Schlachthofbronx auch aus dem Ausland, dass die eher progressiv ausgerichtete Clubkultur “im Visier eines konservativen Kulturkampfes” sei. Wegen ihrer Offenheit für queere Menschen oder wegen des Konsums von Alkohol oder Drogen. “Nur dass wir über sowas auch hier in Bayern in 2024 immer noch reden müssen, ist leider nicht sehr weltoffen”, sagt Jakob.

Jakob und Bene von der Schlachthofbronx wünschen sich – so wie auch der Bund für Geistesfreiheit München und die Clubs, die am Protestwochenende teilnehmen, eine liberalere Haltung des Freistaats zur Clubkultur, “ohne von oben verordneten Religionsregeln und Bevormundung”, wie es Jakob formuliert.

Bund für Geistesfreiheit: Könnten uns Umbenennung von Feiertagen “gut vorstellen”

Der Bund für Geistesfreiheit würde sogar noch einen Schritt weiter gehen, wie er in einer Mitteilung schreibt – und kontert den Vorwurf, man wolle gesetzliche Feiertage abschaffen. Das wolle man nicht, “aber wir können uns eine Umbenennung von Feiertagen in einem immer säkularer werdenden Land gut vorstellen”, sagt Assunta Tammelleo, die Vorsitzende des BFG München. Dafür könne es andere gesetzliche Feiertage geben, zum Beispiel den Internationalen Frauentag am 8. März, den Tag der Befreiung am 8. Mai oder den Tag der Menschenrechte am 10. Dezember.

Ob solche Forderungen in der Politik jemals Gehör finden, bleibt vorerst offen. Aber das Osterfest wird in München, trotz Stiller Feiertage, hier und da auch ziemlich laut werden.





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