Seit Monaten ist die Zukunft des Münchner Reiseveranstalters eines der meistdiskutierten Themen in der deutschen Tourismusbranche. Nun gibt es Neuigkeiten: Ein neuer Investor soll FTI, Europas drittgrößten Reisekonzern, zu 100 Prozent übernehmen. Es handelt sich dabei um Certares, ein auf die Tourismusbranche spezialisiertes Private-Equity-Unternehmen aus den USA. Die Übernahme gab FTI am Dienstagmorgen bekannt. Demnach geben alle bisherigen Gesellschafter ihre Anteile für einen Euro ab. Damit bekommt Certares das Unternehmen quasi für lau, übernimmt aber auch Schulden in dreistelliger Millionenhöhe. Certares hat angekündigt, 125 Millionen Euro in FTI zu investieren, das Geld solle in die nächste Wachstumsphase und die digitale Transformation fließen.
FTI gab bekannt, dass Certares ein Konsortium bilden wird, welches das Unternehmen künftig steuern soll. Auch die bisherigen Eigentümer, die Familie Sawiris, eine der reichsten Familien Ägyptens, wird diesem Konsortium angehören und nochmal Geld geben, heißt es vonseiten des Unternehmens. Bis zur Übernahme von Certares gehörten der Familie 75,1 Prozent der Anteile an FTI. Der Milliardär Samih Sawiris, hatte vor zehn Jahren etwa ein Drittel der Unternehmensanteile erworben. Bei einer Kapitalerhöhung während der Corona-Pandemie im Jahr 2020 baute er seine Anteile massiv aus, was sich für ihn bislang allerdings nicht rentiert hat.
Die Bildung eines Konsortiums sei ein übliches Vorgehen des neuen Investors, sagte eine FTI-Sprecherin der SZ. Damit sichere sich Certares das Wissen und weitere Engagement der bisherigen Gesellschafter. Genauere Konditionen gab der Reiseveranstalter nicht bekannt. Auch zu den immensen Schulden oder einem Schuldenschnitt wollte FTI sich nicht äußern.
Eine gute Nachricht für die Branche
Dem Einstieg von Certares waren monatelange Verhandlungen vorangegangen. Bereits im vergangenen September hatte der Reisekonzern, für den weltweit etwa 11 000 Mitarbeiter arbeiten, bekannt gegeben, dass er auf der Suche nach einem neuen Investor sei. FTI-Chef Karl Marktgraf zeigte sich in einer Pressemitteilung erfreut über die Einigung. Er sehe sein Unternehmen nun “in einer einzigartigen Position für zukünftiges Wachstum und Rentabilität.”
Auch Branchenexperte Markus Heller, Geschäftsführer der auf die Touristik spezialisierten Unternehmensberatung Dr. Fried und Partner, äußert sich positiv: “Dass es nun Gewissheit gibt, ist ein sehr gutes Signal für das Unternehmen und die gesamte Branche”, so Heller. Für die Branche wäre es verheerend gewesen, wenn nach Thomas Cook der nächste große Veranstalter pleitegegangen wäre. Zudem hätte eine Insolvenz auch viele andere Beteiligte mit heruntergezogen.
Bis zuletzt galt FTI als das Sorgenkind der Touristik. Die im Februar dieses Jahres im Bundesanzeiger veröffentlichte Bilanz für das Geschäftsjahr 2021/2022 zeigte, wie schlecht es während der Pandemie um den Konzern stand. Demnach wies FTI nur noch eine Eigenkapitalquote von 2,3 Prozent auf und musste mit staatlicher Unterstützung vor der Insolvenz gerettet werden, allein aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds des Bundes flossen 595 Millionen Euro. FTI gab nach der Veröffentlichung bekannt, dass Unternehmen habe sich seitdem gut entwickelt und im vergangenen Geschäftsjahr einen Umsatz von rund 4,1 Milliarden Euro erzielt. Dies sorgte allerdings nur bedingt für Aufatmen innerhalb der Branche.
Die hohe Verschuldung und monatelange Ungewissheit bei der Suche eines neuen Investors hatte insbesondere Reisebüros stark verunsichert. Manche haben FTI-Reisen nur noch auf ausdrücklichen Kundenwunsch oder gar nicht mehr verkauft. Grund ist, dass sie leer ausgehen, sollte eine Reise wegen der Insolvenz eines Veranstalters nicht stattfinden können. Für Kunden ist das finanzielle Risiko hingegen gering. Wird eine Pauschalreise wegen einer Pleite abgesagt, bekommen sie ihr Geld zurück und ihnen steht ein kostenloser Rücktransport aus dem Urlaubsort zu. Diesen Schutz zu gewährleisten, ist für die Veranstalter teuer. Ab einem Jahresumsatz von mehr als zehn Millionen Euro sind sie verpflichtet, sich beim Deutschen Reisesicherungsfonds (DRSF) abzusichern. Auf Nachfrage teilte FTI der SZ im Februar mit, dass das Unternehmen beim DRSF derzeit die maximale Sicherheitsleistung von neun Prozent des Umsatzes hinterlegen musste.