Toni Kroos glänzt gegen Frankreich

Nach einem überragenden Auftritt war selbst der Gegner beeindruckt. Als Toni Kroos sein Nationalmannschafts-Comeback nach 89 Minuten beendete, klatschte sogar manch französischer Fan bei der Auswechslung am Samstagabend in Lyon kräftig Beifall. Es war die höchste Form der Anerkennung für einen Spieler, der hierzulande nur selten die ihm gebührende Wertschätzung erfuhr – und nun auf der Zielgeraden seiner Karriere vielleicht doch noch den Sprung in die Herzen aller deutschen Fans schafft. Zumindest dann, wenn man die ersten 89 Länderspiel-Minuten des 34-Jährigen nach knapp dreijähriger DFB-Abstinenz als Maßstab für die anstehenden Aufgaben nimmt.

Beim vom ganzen Team bärenstarken 2:0-Erfolg beim EM-Favoriten dirigierte, kommandierte und orchestrierte Kroos das Spiel seiner Mannschaft. Er behielt die Ruhe, wenn Ruhe gefragt war, drückte aufs Tempo, wenn es galt, an Geschwindigkeit aufzunehmen. Kurzum: Sportbuzzer-Note 1 für den Chef. „Ich denke, dass wir einen guten und wichtigen Schritt nach vorn gemacht haben“, sagte der Mittelfeldspieler von Real Madrid im ZDF. Man habe sich „ein bisschen Gefühl für die EM“ geholt: „Das nehmen wir mit heute.“ Dann ergänzte Kroos noch einen Satz, den man in den vergangenen Jahren fast nie von einem deutschen Nationalspieler hörte: „Wir können sehr, sehr zufrieden sein.“

Der Routinier hatte an dieser Gefühlslage maßgeblichen Anteil – und wollte seinen Beitrag zum Aufschwung nach dem noch so desaströsen 0:2 im vergangenen November in Österreich nicht zu hoch hängen. „Ganz sicher nicht“, meinte Kroos auf die Frage, ob die Leistungssteigerung an seinem Comeback liegen würde: „Es wurde ja einiges geändert. Es war die Frage, ob das so schnell Früchte tragen kann. Wir hatten eine wirklich gute Trainingswoche – aber das hat man ja schon oft gehört und dann hat es nicht so geklappt. Aber konnten es super in das Spiel mitnehmen.“

Bundestrainer Julian Nagelsmann, der seinen neuen Strategen zum Comeback bewog, geriet angesichts von Kroos‘ Auftritt regelrecht ins Schwärmen. „Unfassbar, ehrlich gesagt. Wir wissen alle, was er mit dem Ball kann. Aber auch wie er sich in Zweikämpfe reingehauen hat. Er hat unfassbar viel gearbeitet, war defensiv sehr stabil und ein Taktgeber“, sagte der 36-Jährige und hob die in der aktuellen Situation vielleicht entscheidende Stärke von Kroos hervor: „Er ist immer anspielbar und fordert jeden Ball. Er hat eine gute Ruhe. Das gibt den anderen Spielern Sicherheit. Sie wissen, wenn mal Stress oder Druck ist, ist der Ball bei Toni meistens gut aufgehoben.“