Es sind zwei Topjobs der deutschen Medienlandschaft, die in diesen Wochen zu vergeben sind: Der FC Bayern München sucht einen neuen Trainer. Und der NDR suchte einen Nachfolger für Peter Urban, der ein Viertel­jahrhundert lang den Eurovision Song Contest (ESC) kommentiert hat. Und während in München noch gesucht wird, wird in Hamburg schon gefeiert: Der Radio- und TV‑Moderator Thorsten Schorn (48) schlüpft in die durchaus großen Schuhe der Musikjournalismus-Legende Urban. Beim ESC in Malmö im Mai wird sich Schorn erstmals aus der Sprecherkabine melden.

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Über die Honigstimme seines Vorgängers verfügt Schorn nicht

Um es gleich vorwegzunehmen: Über die samtweiche Honigstimme seines Vorgängers verfügt Schorn nicht. Aber wer tut das schon? Dass der ESC‑Chef der ARD, Andreas Gerling, neben Schorns „Expertise, Leiden­schaft, Spontaneität und Witz“ auch seine „sehr markante Stimme“ rühmt, könnte eventuell unerfüllbare Erwartungen schüren. Aber Schorn ist ein erfahrener, humoriger Radiomoderator und Sympathie­träger. Ihm ist zuzutrauen, dass er den Erwartungen gerecht wird.

Die ganz große Show: Probe zum Eurovision Song Contest (ESC) in der Ahoy Arena in Rotterdam vor dem ESC 2021.

Die ganz große Show: Probe zum Eurovision Song Contest (ESC) in der Ahoy Arena in Rotterdam vor dem ESC 2021.

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Über Eurovisions-Erfahrungen verfügt er bereits: Beim ESC 2011 in Düsseldorf war er als Reporter für das tägliche Magazin im ARD-Vorabend unterwegs und trat als ESC‑Experte bei Phoenix auf. Mit Tim Frühling moderierte er zudem Eurovisions-Sondersendungen. Früh steckte ihn die fröhlich spekulierende ESC‑Gemeinde deshalb in den Verlosungstopf für den ESC‑Job – nun haben sich die Prognosen tatsächlich bestätigt.

Wer ist Thorsten Schorn? Der gebürtige Kölner, geboren 1976, ist im rheinischen Raum ein fester Name als 1Live- und WDR-Radiomoderator. TV‑Entertainment kann er auch, seit er vor Jahren als Warm-Upper bei Günther Jauchs RTL-Quiz „Wer wird Millionär?“ startete. Als Offstimme ist er seit Jahren gut gebucht („Shopping Queen“, „Prince Charming“), und in der Neuauflage von „Der Preis ist heiß“ ist er Co‑Moderator. Seit August 2018 ist er bei RTL gar Spielleiter der Samstagabendshow „Denn sie wissen nicht, was passiert“. Wenige Tage nach Thomas Hitzlspergers Coming‑out im Januar 2014 machte auch Schorn seine Homo­sexualität in einer 1Live-Sendung zum Thema, als er sich mit dem Satz verabschiedete: „Ich bin Thorsten Schorn und schwul und tschüs.“

„Eine große Ehre und Freude“

Nun also: die große ESC‑Bühne. Als Deutschland 1982 mit „Ein bisschen Frieden“ gewann, war Schorn sechs Jahre alt – und habe sich „gefreut, als wären wir Fußball-Weltmeister geworden“, sagt er. Es sei ihm „eine große Ehre und Freude, die Nachfolge von Peter Urban anzutreten“. Sein Ziel sei es, „das Fernsehpublikum in Deutschland bei der größten Musikshow der Welt an die Hand zu nehmen“. Sehnsuchtslösungen wie Bastian Pastewka und Anke Engelke sind damit vom Tisch. Aber Schorn kann das.

Abschied nach 57 ESC-Sendungen: der langjährige ESC-Kommentator Peter Urban.

Abschied nach 57 ESC-Sendungen: der langjährige ESC-Kommentator Peter Urban.

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Was braucht es für einen guten ESC‑Kommentator? Diplomatisches Geschick, pophistorische Kenntnisse, Chuzpe, Humor, Lust auf den ESC, die richtige Balance zwischen Ernsthaftigkeit und Ironie und die Bereitschaft, Unterhaltung zu machen statt musiktheoretischer Proseminare. Schorn bringt gute Voraussetzungen für den Job mit. Und wieder legt der NDR den Job in die Hände eines leidenschaftlichen Radiomachers.

„Eine Grundsympathie für den ESC wäre schon wichtig“

Peter Urban selbst war an der Personalentscheidung nicht beteiligt, hatte aber eine klare Vorstellung davon, wer ihm bitte nicht nachfolgen möge: „Ich fände es schlimm, wenn es einer dieser marktschreierischen Radio­moderatoren würde, mit dieser grässlichen Zwangsfröhlichkeit, die so viele haben“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) bei Kaffee und Kuchen. „Das wäre ein Fehler. Es sollte auch kein detailversessener ESC‑Statistiker sein. Und er oder sie sollte den Wettbewerb mögen. Es nützt nichts, als ESC‑Kommentator nur sarkastisch und zynisch zu sein. Es darf gern lustig oder ironisch sein, na klar, aber eine Grundsympathie für den ESC wäre schon wichtig.“

Gewiss erwartet den „Neuen“ Gegenwind – schon deshalb, weil Urban nach 57 Eurovisions-Sendungen (mit Halbfinals und Finals) quasi untrennbar mit dem paneuropäischen Volksfest verbunden war. Es besteht aber Anlass zur Hoffnung, dass Schorn nicht gleich zum Auftakt eine weitere deutsche Komplettpleite verkünden muss: Der deutsche Beitrag von Sänger Isaak („Always on the Run“) steht bei den Buchmachern aktuell immerhin auf Platz 31 von 37. Das ist nicht gut. Aber auch nicht total schlecht. Man muss in diesen Zeiten nehmen, was da ist. Schon der drittletzte Platz wäre der größte Erfolg der letzten fünf Jahre.



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