Bei der Hamburger AfD sollte Ulrich Vosgerau erzählen, was in Potsdam „wirklich“ geschah. Er hat vieles bestätigt, was Correctiv berichtet hatte.
Ulrich Vosgerau beginnt seinen Vortrag mit den Worten „Ich – war – dabei!“ Dazwischen macht er bedeutungsvolle Kunstpausen und grinst. Ein zustimmendes Raunen geht durch die Stuhlreihen, annähernd 500 Zuhörer:innen sind in den mild erleuchteten Festsaal des Hamburger Rathauses gekommen.
Eingeladen hatte die AfD-Bürgerschaftsfraktion, deren Fraktionschef Dirk Nockemann nach Bekanntwerden des Potsdamer „Remigrations“-Treffens noch zur Hamburger Morgenpost gesagt hatte: „An einer Veranstaltung teilzunehmen, an der ein Martin Sellner teilnimmt, das ist ohne Sinn und Verstand.“
Doch der Wind hat sich gedreht, die AfD versucht nach dem ersten Schreck nun, das Treffen, das eine bundesweite Protestwelle ausgelöst hat, zu bagatellisieren. Dafür ist CDU-Mitglied Vosgerau genau der Richtige. Er verstehe nicht, warum dieses „private“ Treffen und die Berichterstattung durch das Rechercheportal Correctiv darüber so viel Aufsehen erregt hätten. „Der Nachrichtenwert ist null.“
Vosgerau war vor allem wegen Martin Sellner gekommen, der „Identifikationsfigur der Identitären Bewegung (IB)“, auch wenn er gar nicht so genau wisse, was die mache. Die AfD hat immerhin einen Unvereinbarkeitsbeschluss gegen die IB gefasst, weil sie ihr zu rechtsextrem ist.
„Remigration“ schlecht integrierter Ausländer
Sellner habe beim Treffen im Potsdamer Landhaus Adlon wirklich über „Remigration“ gesprochen, bestätigt Vosgerau die Darstellung von Correctiv. Allerdings sei es ihm „ausschließlich um schlecht integrierte Ausländer“ gegangen, denn Eingebürgerten den deutschen Pass zu entziehen, sei ja rechtlich gar nicht möglich. Wobei: schwerst kriminellen Doppelstaatlern könne man durchaus die Staatsbürgerschaft aberkennen, wirft Vosgerau in Hamburg ein, das habe Sellner „nicht auf dem Schirm gehabt“. Da geht also noch mehr.
Gut im Ohr hat Vosgerau auch noch Sellners Idee, mit deutschem Geld in Nordafrika „Musterstädte“ zu bauen – nicht Musterstaaten, da habe wohl das Richtmikrofon von Correctiv versagt. Dort könnten „problematische“ Ausländer hingehen – natürlich „freiwillig“, und die Flüchtlingshelfer am besten gleich mit. „Nichts daran ist verfassungswidrig“, meint der promovierte Jurist. Sellner habe sich „sehr vorsichtig“ geäußert. Was der wohl sagt, wenn er unvorsichtig wird?
„Gegen die große Linie des Sellner-Vortrags“, wie Correctiv sie dargestellt hat, habe man rechtlich nicht vorgehen können, sagt der frühere Jura-Privatdozent der Uni Köln. Überhaupt, wer sich für viel Geld beraten lasse, werde schnell feststellen, „wie schlimm das Äußerungsrecht ist“.
Presserechtlich angreifbar seien lediglich Tatsachenbehauptungen; gegen Meinungsäußerungen, wie Correctiv sie verbreitet habe, sei dagegen kaum ein Kraut gewachsen, sagt Vosgerau. Deswegen sei er gegen Nebensächlichkeiten vorgegangen, gibt er unverblümt zu – und in zwei von drei Punkten vorerst gescheitert. „Und nun werden diese infamen Mistvögel sagen, ihre Darstellung sei wahr, weil niemand dagegen geklagt habe!“ Pressefreiheit ist aber auch wirklich Mist.