Hannover. Die brisanten Ergebnisse verstecken sich im allerletzten Kapitel unter Punkt 6.3. Schlicht „Islamismus“ ist der nur wenige Seiten umfassende Absatz der Studie übertitelt. Dabei fördern Forscher des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) an dieser Stelle des sogenannten „Niedersachsensurvey 2022“ besorgniserregende Erkenntnisse über islamistische Einstellungen muslimischer Schüler aus Niedersachsen zutage. „Unter den befragten Schülerinnen und Schülern, die dem Islam angehören, sind islamistische Einstellungen im Erhebungsjahr 2022 bei 22,2 Prozent anzufinden“, heißt es dort schlicht. Islamistische Einstellungen sind dabei solche, die als eine Form des politischen Extremismus die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik und ihre Werte infrage stellen.

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Zustimmung zu Islamismus ist „überraschend hoch“

Für „überraschend hoch“ hält Carl Philipp Schröder vom KFN diese 22,2 Prozent. Schröder ist Experte für Themen wie Rechtsextremismus und Radikalisierung. 2019 bei einer bundesweiten Studie des KFN, an der er mitwirkte, habe die Zahl muslimischer Schülerinnen und Schüler mit islamistischen Einstellungen bei 13,2 Prozent gelegen. In diesem Forschungsfeld schwankten die statistischen Werte stark, schränkt er ein. Die Studien seien auch nicht direkt miteinander zu vergleichen. Dennoch: „Die Daten im neuesten Niedersachsensurvey geben Anlass zur Sorge und zeigen, wie wichtig politische Bildung in den Schulen im Unterricht ist“, sagt Schröder.

Das wird umso deutlicher, wenn man sich die Antworten auf die einzelnen Fragen anschaut. Mehr als die Hälfte der muslimischen befragten Schüler (51,5 Prozent) vertreten demnach die Auffassung, nur der Islam sei in der Lage, „die Probleme unserer Zeit zu lösen“. Den Satz: „Die Regeln des Korans sind mir wichtiger als die Gesetze in Deutschland“ unterstrichen sogar 67,8 Prozent. Immerhin fast die Hälfte – genauer: 45,8 Prozent – der im Schnitt 15 Jahre alten Befragten war überdies der Auffassung, ein islamischer Gottesstaat sei die beste Staatsform.

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Manche Schüler befürworten auch Gewaltbereitschaft

Gleich drei Fragen zu religiös motiviertem Extremismus unter Muslimen in der Studie umkreisen das Thema Gewaltbereitschaft. Den Satz „Die Bedrohung des Islam durch die westliche Welt rechtfertigt, dass Muslim*innen sich mit Gewalt verteidigen“ halten demnach 21,2 Prozent der Befragten für richtig. Sogar 35,3 Prozent kreuzten an, dass sie „Verständnis für Gewalt gegen Menschen, die Allah oder den Propheten Mohammed beleidigen“ haben. Gewalt zur Durchsetzung des Islams sehen immerhin 18,1 Prozent der Schülerinnen und Schüler als ein probates Mittel an.

Das KFN hat in seinem insgesamt repräsentativen Niedersachsensurvey die Daten von 8539 Neuntklässlern aus allen niedersächsischen Schulformen verarbeitet. Die Fragen zu Islamismus beantworteten aber nur rund 300 muslimische Schülerinnen und Schüler. Damit sei diese Gruppe für einen repräsentativen Anspruch zu klein, sagt Schröder. Dennoch seien die Ergebnisse vor allem in dieser Höhe bemerkenswert. Laut KFN wurden 2022 in Niedersachsen 45 Straftaten unter religiöser Ideologie eingestuft. 2021 waren es 36, im Jahr 2019 fielen 48 registrierte Straftaten in diese Kategorie.

KFN-Studie befragt Jugendliche anonym

Das Besondere an der Studie des KFN ist, dass sie im Gegensatz zur Hellfeldstudie der Polizei eine Dunkelfeldstudie ist. Das sogenannte Hellfeld beschreibt Taten, die bei der Polizei durch eigene Ermittlungen oder Anzeigen bekannt geworden sind. Das KFN dagegen befragt die Jugendlichen im Dunkelfeld anonym selbst nach Strafdelikten, die Studie fußt also auch auf Ereignissen, die bei der Polizei nie angezeigt werden.

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Dieser Text erschien zuerst in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ).



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