München – Kiffen ist nun erlaubt – mit wenigen (klar geregelten) Ausnahmen. So haben es sich wohl die meisten Menschen vorgestellt. Doch Bayern wäre nicht Bayern, würde die Staatsregierung nicht nach Wegen suchen, um denen in Berlin zu zeigen, dass es hier in der Praxis aber mal ganz anders zu laufen hat.

Trotz Cannabis-Legalisierung: München prüft Kiffer-Verbotszonen

Wie genau – das deutete Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) wie berichtet am Dienstag das erste Mal konkret an. Für die Wiesn stelle man sich eine Verbotszone vor – die allerdings die Stadt erlassen müsste. Selbiges gilt für weitere, eigenständige Cannabis-freie Zonen, die Kommunen analog zu Gebieten mit Alkohol-Bann künftig festlegen könnten.

Plötzlich also hat München seine eigene Legalisierungsdebatte – unter umgekehrten Vorzeichen. Es stellt sich die Frage: Will die grün-rot regierte Stadt wirklich eigene Verbote erlassen? In der Staatsregierung ist schon die Rede vom Englischen Garten, der dem Freistaat gehört. Ausgerechnet hier, wo frühere Generationen den Monopteros einnebelten, könnte also theoretisch der Cannabis-freiste große Park des Landes entstehen.

“Ich mag es nicht, wenn Biertrinker mit Kiffern verglichen werden”, sagt Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner

Im Rathaus allerdings gibt es sehr wenig Begeisterung für die Vorstöße aus der Staatskanzlei. Für eine Wiesn im süßlichen Dunst mag sich allerdings auch niemand explizit aussprechen. Nur sieht man hier keinen Handlungsbedarf. Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner (CSU) argumentiert so: Ein ganz großer Teil der Wiesn-Besucher seien Familien mit Kindern.

Die Gesetzeslage sei klar, dass nicht in Anwesenheit von Kindern in der Öffentlichkeit gekifft werden dürfe, sagte Baumgärtner am Mittwoch im Gespräch mit der AZ. “Da ist die Wirtsbudenstraße wie eine Fußgängerzone mit geöffneten Geschäften und in der dürfen Sie ja auch bis 20 Uhr nicht kiffen.” Die Wiesn sei ein Familienfest, er möge es nicht, wenn in diesen Tagen Biertrinker mit Kiffern verglichen würden. Und: Die Belästigung sei ja auch unterschiedlich. “Eine Maß Bier qualmt ja nicht”, so Baumgärtner recht bildlich.

Meinungsstark: Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner.
Meinungsstark: Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner.
© picture alliance/dpa
Meinungsstark: Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner.

von picture alliance/dpa

“}”>

“Kiffen auf der Wiesn ist nicht mit dem Jugendschutz vereinbar”, sagt auch Baumgärtners Parteifreund, der CSU-Vize-Fraktionschef Hans Theiss. Er unterstütze da einen restriktiven Umgang.

In anderen Bereichen der Stadt will aber offenbar nicht einmal die örtliche CSU auf Law and Order setzen. “Jugendschutz geht vor”, betont Theiss zwar. Er sagt aber auch: “Ein komplettes Cannabisverbot in Parks muss man sich gut überlegen.” Er könne sich Cannabis-konsumfreie Zonen vorstellen, sagt er, “die sich daran orientieren, wo besonders viel los ist und Kinder und Jugendliche dem Cannabisrauch ausgesetzt wären.” Theiss sagt, der Konsum daheim im Garten sei schon etwas ganz anderes als in einer Menschenmenge – wie eben auf der Wiesn.

Cannabis-Verbote in München? “Das Kiffen wird auf der Wiesn nicht erlaubt sein”

Bei der Debatte um die Cannabis-Wiesn stößt auf AZ-Nachfrage sogar die grüne Wiesn-Stadträtin Anja Berger in ein ähnliches Horn wie Clemens Baumgärtner. “Das Kiffen wird auf der Wiesn nicht erlaubt sein”, ist sie sicher – betont allerdings, dass auch sie davon ausgeht, dass es dafür gar keine weitere Regelung braucht.

Sehr zurückhaltend reagierten die Fraktionen von SPD und Grünen auf die sich abzeichnende Möglichkeit, selbst Verbote festzulegen. “Dass die CSU die Cannabis-Legalisierung in Bayern aushebeln will, ist keine allzu große Überraschung”, sagte Lena Odell (SPD). “Uns ist wichtig, dass Kinder und Jugendliche gut geschützt sind.” Nun warte man auf einen Vorschlag der Stadtverwaltung. “Diese werden wir dann in der Gesamtheit diskutieren.” Sie halte für wenig sinnvoll, nun “plakative Einzelbeispiele in den Raum zu werfen” oder “den Cannabiskonsum auf der Wiesn zu verteufeln, als sei man dort noch nie einem Berauschten begegnet”.

Münchner Bürgermeister Dominik Krause: “Ein Lehrstück für das undemokratische Verhalten der CSU”

Grünen-Fraktionschefin Mona Fuchs wurde noch deutlicher als die SPD. “Wir sehen gegenwärtig keinerlei Notwendigkeit für städtische Verbotszonen”, sagte sie der AZ. “Das Ziel des Gesetzes war es ja auch, die Verwaltung, die Strafverfolgungsbehörden und die Gerichte zu entlasten. Mit ihrem ideologischen Kampf bewirkt die CSU genau das Gegenteil. Und es sollen dafür sogar nochmal mehr Stellen zur Kontrolle geschaffen werden. Dies halten wir für völlig absurd.”

Sollte es im Englischen Garten Verbotszonen geben? Nein, sagt Fuchs. In den Isarauen? “Natürlich nicht.” Und im Englischen Garten? “Es ist völliger Unsinn, ausgerechnet einen großstädtisch geprägten Park, der vielfältigste und individuelle Nutzungsmöglichkeiten bietet, zur Kampfarena für die überholten Ordnungsvorstellungen der CSU zu machen”, schimpft Fuchs.

Bürgermeister Dominik Krause, ebenfalls von den Grünen, schrieb auf Instagram: “Im Englischen Garten? Einem der größten Parks der Welt, wo man gut Abstand halten kann und so niemanden stört?” Wo sich Nackerte frei fühlen könnten und der Monaco Franze das Münchner Lebensgefühl zelebriert hat? “Das ist nur noch Schikane und auch ein Lehrstück für das undemokratische Verhalten der CSU.” Klingt alles nicht, als steuere das Rathaus darauf zu, die neuen Möglichkeiten aus der Staatskanzlei für ihre Grünanlagen beherzt umzusetzen.





Source link www.abendzeitung-muenchen.de