Macht das Waiblinger Familienunternehmen Stihl seine versteckte Ankündigung wahr und kehrt Deutschland den Rücken , verliert das Land eines seiner traditionsreichsten Unternehmen. Der Wegzug allein dürfte dem Wirtschaftsstandort dennoch kaum schaden. Solange er nicht zum Vorboten eines Trends wird.
Stihl-Abwanderung: 6400 Jobs brechen weg
Stihl beschäftigte insgesamt rund 20.500 Mitarbeiter. Knapp zwei Drittel davon arbeiten im Ausland. In der Bundesrepublik beschäftigt Stihl rund 6400 Menschen. Wandert das Unternehmen vollständig ab, fielen diese Arbeitsplätze weg.
Verglichen mit Großunternehmen fällt dieser Wegzug kaum ins Gewicht: Edeka beschäftigt bundesweit über 300.000 Mitarbeiter, Volksagen und Rewe je über 200.000. 30 bis 50 Mal mehr als Stihl.
Die 500 größten Familienunternehmen beschäftigen in Deutschland rund 2,9 Millionen Menschen. Fallen die 6400 Stihl-Arbeitsplätze weg, entspricht das einem Anteil von 0,02 Prozent.
Stihl machte 5,5 Milliarden Umsatz, davon rund 500 Millionen in Deutschland
Gemessen am Umsatz belegte Stihl unter deutschen Familienunternehmen im Jahr 2023 den 48. Platz. Knapp vor Miele, knapp hinter Hornbach. Bosch, ebenfalls ein Familienunternehmen, erwirtschaftete rund den 15-fachen Umsatz von Stihl.
Die Wertschöpfung in Deutschland leidet kaum unter einer Stihl-Abwanderung.
Zumal das Unternehmen 90 Prozent seines Umsatzes im Ausland erwirtschaftete. In der Bundesrepublik verkaufte Stihl Waren im Wert von rund 500 Millionen Euro. Daran dürfte ein Wegzug wenig ändern.
Stihl stellte rund 160 Millionen Euro für Steuern zurück
Wie viele Steuern der Bundesrepublik durch eine Stihl-Abwanderung genau entgehen, ist nicht bekannt. Im Jahr 2022 hat die Stihl Holding AG rund 160 Millionen Euro für Steuern zurückgestellt. Dieser Wert gilt weltweit. Der größte Teil dürfte auf Deutschland entfallen.
Die genaue Höhe der Stihl-Steuerzahlungen lässt sich daraus nur schätzen. Sie dürfte in Deutschland aber kaum 200 Millionen Euro übersteigen.
Zum Vergleich: Allein mit der Körperschaftsteuer – nur eine von zwei Unternehmenssteuern – nahm der Bund im Jahr 2023 rund 23 Milliarden Euro ein. Der Anteil von Stihl an den gesamten Unternehmenssteuerzahlungen in der Bundesrepublik liegt damit deutlich unter einem Prozent.
Der Steuerausfall ist ärgerlich. Er dürfte die Finanzplanung der Bundesregierung aber kaum beeinflussen.
Solange Stihl eine seltene Ausnahmen bleibt, überlebt der Standort
Für sich genommen verkraftet der Standort Deutschland einen Stihl-Wegzug. Zwar hängen an der Firma auch Zulieferer, was ihren Anteil an der Gesamtwirtschaft erhöht. Die Region Waiblingen trifft ein Wegzug ebenfalls. Doch die Gesamtwirtschaft hängt an anderen Firmen, Tradition hin oder her. Dass Unternehmen kommen und gehen, gehört zum Kapitalismus.
Bedrohlicher werden könnte der Abgang, wenn die Ursachen, die Stihl vertrieben, viele Firmen vertreiben.
„Aktuell ist der Standort Deutschland nicht mehr der attraktivste auf der Welt, um es einmal vorsichtig auszudrücken“, sagt Nikolas Stihl, Enkel des Unternehmensgründers. In vielen Standort-Rankings ist die Bundesrepublik angesichts teurer Energie, mangelnder Fachkräfte und veralteter Infrastruktur deutlich abgerutscht. Forderungen nach kürzeren Arbeitszeiten vergraulen weitere Unternehmen.
Jeder dieser Punkte entscheidet mehr über die Zukunft des Standortes als die Investitionsentscheidung eines Motorsägenherstellers.