Ratzeburg. Ausschlaggebend ist wohl die kritische Haushaltssituation der Stadt Ratzeburg, dass sich die Stadtvertretung in ihrer Sitzung am Montagabend gegen den Bau einer Flüchtlingsunterbringung in Containern an der Heinrich-Hertz-Straße entschied. Denn immerhin werden die Kosten für Planung und die Aufstellung beziehungsweise alle weiteren Baumaßnahmen von der Verwaltung auf 3,2 Millionen Euro geschätzt, wovon die Stadt bei einer Maximalförderung von 800.000 Euro einen Eigenanteil von 2,4 Millionen Euro zu tragen hätte.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Bürgermeister Eckhard Graf berichtete von einer jüngsten Zusammenkunft der Amtsdirektoren und hauptamtlichen Bürgermeister des Kreises mit Landrat Dr. Christoph Mager, in der dieser für 2024 rund 800 bis 1000 Geflüchtete im Kreis prognostizierte. Ratzeburg müsste demnach mit der Zuweisung von rund 80 Menschen rechnen. Insofern liefen die Überlegungen der Verwaltung in die Richtung, dass man auf dem Grundstück am nördlichen Ende der Heinrich-Hertz-Straße (Gewerbegebiet), das derzeit als Hundeauslaufwiese dient, 74 Container beziehungsweise Module für bis zu 100 Personen aufstellen wollte.

Die Hunde-Freilauffläche nördlich der Heinrich-Herrz-Straße am Peter-Schlottmann-Weg. Hier sollte nach Plänen der Stadt Ratzeburg ein Containerdorf mit Platz für 100 Flüchtlinge entstehen.

Die Hunde-Freilauffläche nördlich der Heinrich-Herrz-Straße am Peter-Schlottmann-Weg. Hier sollte nach Plänen der Stadt Ratzeburg ein Containerdorf mit Platz für 100 Flüchtlinge entstehen.

Bürgermeister Graf: „Projekt absolut notwendig“

In diesen Containern sollten neben Wohnräumen inklusive Sanitär- und Kochnischen auch Platz für Büro und Verwaltung, für Gemeinschaftsräume, Versorgung und Lager vorgesehen werden. Die Planung beinhaltete zudem die Erschließung und Herrichtung der Freianlagen wie einen Müllplatz, einen Außenspielbereich, einen Grillplatz, Überdachung für Fahrräder und Kinderwagen sowie das Herstellen von Wegen und Beleuchtung.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Mit der Planung bis Ende April wurde bereits das Büro Tewis Projektmanagement beauftragt. Man orientierte sich bei den ersten Vorstellungen an den Erfahrungen der Betreiber des Containerdorfes in Lübeck Herrendamm. Das Projekt sei absolut notwendig, erklärte Bürgermeister Graf eindringlich, um nicht wieder wie 2015 in die Situation zu geraten, Sporthallen zu Flüchtlingsunterkünften umzufunktionieren.

Lesen Sie auch

Derzeit ist nur eine Wohnung für vier Personen frei

„Wenn wir nur einen ähnlichen Zuwachs in diesem Jahr wie in 2023 haben, müssen wir von etwa 80 Geflüchteten ausgehen.“ Zurzeit verfüge die Stadt aber nur über eine Wohnung, in der vier Personen untergebracht werden können. Insofern sei die Errichtung eines Containerdorfes „der einzige aufrechte Weg“, um vorbeugend tätig zu werden.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Unterstützung erhielt er dabei von der CDU und den Grünen. Martin Bruns, der in der Vakanzzeit der „Koech-Ära“ kommissarischer Bürgermeister war, kennt sich mit den Nöten und Notwendigkeiten eines vorausschauenden Verwaltungshandelns gut aus. „Ich gebe dem Bürgermeister recht, die CDU kann dem Antrag zustimmen.“ Man habe schließlich eine Verpflichtung dem Kreis und auch den Geflüchteten gegenüber. Dieses Argument nahm auch Robert Wlodarczyk von den Grünen auf. „Als Stadt Ratzeburg müssen wir mutig sein und zukunftsorientiert handeln.“

Während der gesamten Sitzungsdauer protestierten rund 60 Mitglieder der Gruppe Ratzeburg Mitte – ein Zusammenschluss von Mittelständlern, Handwerkern und Landwirten –  vor dem Rathaus. Eine Vertreterin stellte ihr Ansinnen während der Einwohnerfragestunde kurz vor.

Während der gesamten Sitzungsdauer protestierten rund 60 Mitglieder der Gruppe Ratzeburg Mitte – ein Zusammenschluss von Mittelständlern, Handwerkern und Landwirten – vor dem Rathaus. Eine Vertreterin stellte ihr Ansinnen während der Einwohnerfragestunde kurz vor.

Containerdorf „Signal an überhitzen Wohnungsmarkt“

Prof. Dr. Ralf Röger, Fraktionsführer der Christdemokraten, ergänzte, die Errichtung eines Containerdorfes würde zudem ein Signal an den ohnehin überhitzten Wohnungsmarkt sein, wo ansonsten die Mieten weiter stark ansteigen würden. Dem widersprachen allerdings die Freien Wähler und die SPD. FRW-Fraktionschef Jürgen Hentschel, von Beruf Immobilienmakler, erklärte, in der Stadt gebe es derzeit andere Möglichkeiten der Unterbringung, etwa im teilweise leer stehenden alten Gebäude der Stadtwerke. Uwe Martens von der SPD fügte hinzu, er sehe „derzeit nicht den großen Druck auf dem Kessel“, ohnehin lehne er eine zentrale Unterbringung ab. Sein SPD-Genosse Carsten Ramm ergänzte: „Die veranschlagten 3,2 Millionen Euro haben wir trotz 800.000 Euro Förderung doch zweimal nicht!“ Dieser Argumentation folgten am Ende 17 Abgeordnete bei 9 Gegenstimmen und einer Enthaltung.

Nicht minder kontrovers verlief die Diskussion um den Nachtragshaushalt. Bei diesem Tagesordnungspunkt ließ sich Stadtpräsident Andreas von Gropper in der Sitzungsleitung von Michael Jäger (CDU) vertreten, um als FRW-Abgeordneter für die Beibehaltung der Planungskosten von 30.000 Euro für die Marktplatzbegrünung zu plädieren. Am Ende erfolglos, da die Mehrheit darin keine Notwendigkeit sah – im Vergleich zu vielen anderen Kürzungen und Einsparungen bei der Feuerwehr, im Straßenbau oder im Kinder- und Jugendbereich. Die beantragte namentliche Abstimmung ergab eine knappe Mehrheit von 15 zu 12 Stimmen für eine Verschiebung des Prestigeprojektes der FRW.

Entscheidung fiel einstimmig

Am Ende fiel die Entscheidung zur Annahme des Nachtragshaushaltes einstimmig. Der Jahresfehlbetrag im Ergebnisplan liegt jetzt nur noch bei 2,43 Millionen Euro, die Kreditaufnahme für Investitionen wurde von 8,56 Millionen auf 5,7 Millionen Euro reduziert.

LN



Source link www.ln-online.de