Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat zu Beginn seines Deutschland-Besuchs vor rechtsextremen und nationalistischen Bewegungen gewarnt. Macron zeigte sich besorgt, “da nationalistische und rechtsextreme
Bewegungen in unserem Land viele faszinieren”. Es sei auch seine
Verantwortung, “die Ideen des Rassemblement National zu demontieren”,
sagte er mit Blick auf die französischen Rechtspopulisten, die derzeit
bei mehr als 30 Prozent in den Umfragen liegen.

“Es geht darum, in ganz Europa eine Allianz der Demokraten zu stärken, die denen widersprechen, die die Demokratie und Europa angreifen”, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Macron. “Wir haben eine sehr konkrete Botschaft an die Menschen: Sagen Sie ja zu Europa, gehen Sie wählen am 9. Juni”, betonte Steinmeier. 

“Ich glaube wirklich, dass Europa sterben kann”

Wären die Nationalisten in den vergangenen Jahren an der Macht gewesen, sagte Macron, “dann hätten wir keine Impfstoffe gehabt (…) und hätten die Ukraine fallen gelassen, um Russland zu unterstützen.” Es gebe eine “Faszination für den Autoritarismus”, sagte er. “Wir erleben einen existenziellen Moment in Europa”, betonte Macron. “Ich glaube wirklich, dass Europa sterben kann.”

Auch Steinmeier erinnerte an die Rede Macrons in der Pariser Universität Sorbonne, in der er gewarnt hatte, dass das heutige Europa “sterblich” sei. Weiter betonte er mit Verweis auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine: “Gemeinsam müssen wir wieder lernen, uns besser gegen Aggressoren zur Wehr zu setzen und unsere Gesellschaften widerstandskräftiger zu machen gegen Angriffe von außen und innen.”

Dieses Jahr sei wichtig für die Demokratie in Europa, sagte der Bundespräsident später. “Gerade Deutsche und Franzosen wissen, dass Freiheit, Frieden und Demokratie nicht vom Himmel gefallen sind, sondern errungen, ausgehandelt, verteidigt und gefestigt werden müssen.”

Macron wiederum wies den Eindruck zurück, es habe aus Deutschland keine Reaktion auf seine Sorbonne-Reden gegeben, in denen er europäische Reformen vorgeschlagen hatte. “Ich finde, dass die deutsch-französischen Abkommen die beste Antwort auf die Reden waren, die ich gehalten hatte”, sagte Macron und verwies auf zahlreiche Vereinbarungen mit der früheren Kanzlerin Angela Merkel und mit Kanzler Scholz zu Corona, einem EU-Wiederaufbaufonds, der Förderung strategischer industriepolitischer Projekte und einer entschlossenen Antwort auf den russischen Überfall auf die Ukraine. “Wir sind auf dem Weg zu einem souveräneren und geeinteren Europa vorangekommen”, betonte er.

Scholz schließt “Allianz” mit Macron

Bundeskanzler Olaf Scholz sagte, dass er sich mit Macron in einer Reihe nötiger Reformschritten übereinstimme. Man sei sich etwa “sehr einig, dass wir versuchen müssen, an einigen Stellen diese Einstimmigkeit im Rat der europäischen Staats- und Regierungschefs abzuschaffen”, sagte er. Die EU würde handlungsfähiger, wenn es im Kreis der 27 EU-Regierungen nur noch eine Zweidrittelmehrheit für Entscheidungen bräuchte.

Scholz sagte, er habe mit Macron zudem eine “Allianz” geschlossen, um in der EU endlich eine funktionierende Kapitalmarktunion durchzusetzen, was für die Finanzierung von Investitionen in der EU entscheidend sei. Der Kanzler hatte zudem Überlegungen des französischen Präsidenten unterstützt, die europäischen Verteidigungsfähigkeiten zu stärken – einschließlich atomarer Kapazitäten. Sowohl Macron, Steinmeier als auch Scholz unterstrichen die Notwendigkeit, der Ukraine weiter militärische Unterstützung im Abwehrkampf gegen Russland zu gewähren.

Deutsch-französische Beziehungen

Beide betonten die besondere Verbundenheit ihre Länder. “Ich sehe die deutsch-französische Zusammenarbeit nicht so kritisch, wie sie in manchen Kommentaren gesehen wird”, sagte Steinmeier. Es sei ein “Missverständnis”, dass Frankreich und Deutschland immer einer Meinung sein müssten. “Das verkennt, dass wir zwei unterschiedliche Länder sind”, die auch unterschiedliche Interessen hätten, sagte Steinmeier. Er verwies auf die jüngsten Fortschritte etwa bei gemeinsamen Rüstungsprojekten.

“Natürlich sind wir nicht die Gleichen und natürlich denken wir nicht immer genau das Gleiche, aber der Fortschritt in Europa findet ja nur statt, wenn wir gemeinsam voranschreiten und gemeinsam Entscheidungen treffen”, sagte Macron.  

Da Macron Wert darauf gelegt hatte, auch eine Stadt in Ostdeutschland zu besuchen, reisen die Präsidenten anschließend weiter nach Dresden. Dort will Macron eine Rede an die europäische Jugend halten. Am Dienstag wird Macron in Münster für sein europäisches Engagement mit dem Preis des Westfälischen Friedens ausgezeichnet.



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