München – Den Unterstrichen, Doppelpunkten und Sternchen mitten in Substantiven geht es in Bayern an den Kragen. Der bayerische Ministerrat beschloss auf einer Sitzung am Dienstag in München ein Verbot der Gendersprache mit Sonderzeichen zur Geschlechterumschreibung. Daran halten müssen sich aber nur Landesbehörden, Schulen und Hochschulen. Damit setzt Bayern eine nicht unumstrittene Ankündigung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) um.

Gender-Verbot: “Ideologisch aufgeladene Sprache hat stark exkludierende Wirkung”

Mit der Klarstellung durch Änderung der “Allgemeinen Geschäftsordnung” (AGO) halte man sich an die Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung”, sagte Staatskanzleiminister Florian Herrmann (CSU). Die AGO verpflichtet die staatlichen Behörden bereits jetzt, die amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung im dienstlichen Schriftverkehr anzuwenden, und wurde nun um das Verbot ergänzt. Mehrgeschlechtliche Schreibweisen durch Wortbinnenzeichen wie Genderstern, Doppelpunkt, Gender-Gap oder Mediopunkt sind nun ausdrücklich unzulässig. “Das gilt unabhängig von etwaigen künftigen Entscheidungen des Rates für deutsche Rechtschreibung zu der Frage der Verwendung von Sonderzeichen”, hieß es in einer ergänzenden Pressemitteilung der Staatskanzlei.

Eine mit Gendersternchen und anderen Binnen-Sonderzeichen “ideologisch aufgeladene Sprache” habe auch eine “stark exkludierende Wirkung”, erläuterte Herrmann. Es dürfe kein “moralischer Druck” entstehen, eine “vermeintlich gendergerechte Sprache” zu verwenden, mit der man “zu den Guten” gehöre, alle anderen aber auf die “dunkle Seite” verwiesen seien, so Söders Staatskanzlei-Chef. Gendern mit Binnen-Sonderzeichen sei überdies nicht barrierefrei. Von dem Verbot unberührt ist die Paarform, die auch von CSU-Politikern weitgehend verwendet wird (“Zuhörerinnen und Zuhörer”, “Bürgerinnen und Bürger”).

Anzeige für den Anbieter Instagram über den Consent-Anbieter verweigert

Verstöße werden Konsequenzen haben – Folgen für Lehrer, Schüler und Studenten

Das Verbot des Genderns mit Binnen-Sonderzeichen verpflichtet nur Beamte und Bedienstete des Freistaats Bayern und damit auch Lehrer und Hochschullehrer, nicht aber kommunale und Beamte des Bundes. Sollten sich die Freistaatsbediensteten im Schriftverkehr nicht daran halten, drohen ihnen schlimmstenfalls Disziplinarstrafen. Verstöße würden “auch irgendwelche Konsequenzen haben”, stellte Herrmann in Aussicht.

Schüler, welche die in Bayern unerwünschten Genderformen verwenden, müssen aber nicht mit einer schlechteren Benotung rechnen, wohl aber werde dies bei Aufsätzen als “Fehler” markiert, erläuterte Herrmann. Entsprechendes werde durch eine Änderung der Schulgesetze sowie des Hochschul-Innovationsgesetzes des Freistaats festgelegt. Auch Studenten im Freistaat sollen keine Nachteile bei der Verwendung von Strichen, Sternchen und Doppelpunkten entstehen.

Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) begrüßte die Kabinettsentscheidung “weitestgehend”. Zwar hätte man sich etwas mehr Selbstbestimmung und entsprechende Freiheiten für die Schulen gewünscht, man sei aber erleichtert, “dass die befürchteten weitergehenden Verbote ausgeblieben sind”, hieß es in einer am Dienstag verbreiteten Erklärung. Vor allem blieben die Schulen frei im mündlichen Sprachgebrauch und die Schüler müssten nicht um ihre Noten fürchten, “wenn sie neugierig sind, Fragen stellen und sich um eine geschlechtergerechte Sprache bemühen”.

Kritik von AWO und Grünen: “Reden und reden lassen, schreiben und schreiben lassen”

“Jede*r soll sich selbst für oder gegen Gendern entscheiden können”, teilten hingegen die Landesvorsitzenden der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Nicole Schley und Stefan Wolfshörndl mit. “Wir sind weder für ein allgemeines Verbot, noch für eine allgemeine Pflicht, finden allerdings, dass der heutige Beschluss dem geplanten Aktionsplan Queer für Bayern widerspricht.”

Auch von den Grünen kam Kritik. “Reden und reden lassen, schreiben und schreiben lassen. So sehen wir Grüne das. Wir trauen den Menschen in Bayern zu, dass sie selbst wissen, wie sie ihre Sprache verwenden. Dafür braucht’s weder Zwang noch ein weiteres Verbot der CSU!”, sagte Julia Post, Sprecherin der Landtagsfraktion für Frauen, der AZ.

Stadt München jedenfalls fühlt sich nicht an das Verbot gebunden

“Als Sprecherin meiner Fraktion für Gleichstellung wundere ich mich schon sehr über die Prioritätensetzung der Söder-Regierung. Wie eine aktuelle Anfrage von uns Grünen zeigt, bleibt die Zahl der Gewalttaten an Frauen in Bayern weiter alarmierend hoch – dazu hätte das Kabinett heute auch konkrete Maßnahmen auf den Weg bringen können.”

Die Stadt München jedenfalls fühlt sich nicht an das Verbot gebunden: „Da sich die Landeshauptstadt München dem Diskriminierungsschutz wegen des Geschlechts und der geschlechtlichen Identität verpflichtet fühlt“, seien für „die städtische Verwaltung und damit auch für die städtischen Schulen außerhalb des Unterrichts nicht die Vorgaben der AGO, sondern der Allgemeinen Geschäftsanweisung der Landeshauptstadt München (AGAM) relevant“, sagte Stadtschulrat Florian Kraus laut Mitteilung.





Source link www.abendzeitung-muenchen.de