Schiefertafel statt Tablet: Bis in die 60er Jahre hinein lernten Abc-Schützen in den bayerischen Schulen das Schreiben und Rechnen mit dem Griffel – Papier, Bleistift und Federhalter waren für Schreibanfänger zu teuer. Die gab es erst ab der dritten Volksschulklasse, schreibt Heidi Fruhstorfer in ihrem Bildband “Von der Zugspitze bis ins Frankenland – Kindheit und Jugend in Bayern”.

Auf heitere Art und Weise erzählt die 1942 geborene Münchnerin sich anhand einer Sammlung von 90 Schwarz-Weiß-Fotos bayerischer Fotografen und Journalisten durch das Kindsein in der Nachkriegs- und Wirtschaftswunderzeit.

Nachkriegszeit in Bayern: Kinder spielen neben dem Schutt 

Beim Durchblättern des Bildbandes ist es ein bisschen so, als würde man mit den Großeltern am Küchentisch sitzen und ihren Erzählungen von früher lauschen: Schwarz-Weiß-Bilder zeigen Kinder in der Schule oder auf dem offenbar bitterkalten Weg durch den Bayerischen Wald dorthin, beim Wiederaufbau und den Räumarbeiten nach dem Krieg in der Münchner Innenstadt oder auch beim Spielen neben dem Schutt vergangener Zeiten.

Sie zeigen die Armut der Zeit und die Wohnungsnot. “Glücklich waren die, die noch ein Dach über dem Kopf hatten, in einem unbeschädigten Haus lebten und deren Wohnungen nicht von Bomben getroffen waren”, heißt es im Buch. Familien, die noch ein Haus hatten, mussten andere aufnehmen. Wohungszwangsbewirtschaftung. Das machte sich auch auf den Klingelschildern vor den Wohnungen bemerkbar, schreibt Heidi Fruhstorfer: “Schulze 1 x klingeln, Huber 2 x klingeln, Wlodarczak 3 x klingeln”, hieß es da. In diesen Räumen muss einiges los gewesen sein, das merkt auch der Leser 70 Jahre später.

Hochwasserkatastrophe im Juni und Juli 1954

Drama und Freude gehen bei den Bildern fließend ineinander über: Die Hochwasserkatastrophe im Juni und Juli 1954 überschwemmte Niederbayern, das Goggomobil begeisterte die Jugend, und für die Wiesn richteten sich auch damals die Kleinsten schon fesch her.

Heidi Fruhstorfers Bildersammlung – in der sich auch viele Bilder ihres Mannes, des Fotografen Georg Fruhstorfer finden – mag bei einigen älteren Lesern Erinnerungen hervorrufen und Jüngere in heute kaum noch vorstellbare Zeiten entführen. Beeindruckend ist sie jedoch für alle gleichermaßen. Und das Buch kann auch gut gemeinsam mit den Großeltern am Küchentisch durchgeblättert werden.


Heidi Fruhstorfer: “Von der Zugspitze bis ins Frankenland – Kindheit und Jugend in Bayern”, Wartberg Verlag, 17,90 Euro.





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