München – Wer sich darauf gefreut hat, dass Cannabis legal wird, dürfte enttäuscht sein: Der Freistaat will den Konsum weiter einschränken. Das kündigte Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) nach einer Kabinettssitzung am Dienstag an. Auf Volksfesten, in Biergärten und auf Außengeländen von Gaststätten will es die Staatsregierung verbieten, Cannabis zu rauchen.

Außerdem wird es ein Cannabis-Verbot im Englischen Garten, im Hofgarten und Finanzgarten geben. Diese Parks gehören dem Freistaat. Kommunen bekommen zudem die Möglichkeit, weitere Verbote für Örtlichkeiten zu erlassen, wo sich viele Menschen aufhalten – etwa in Freizeitparks, rund um Sehenswürdigkeiten und in Freibädern. Das entsprechende Gesetz will die Regierung noch vor den Pfingstferien vorgelegen.

Cannabis-Verbotszonen in München: Die CSU nennt den Gesundheitsschutz als Grund

Gerlach argumentierte mit dem Gesundheitsschutz – insbesondere von Kindern und Jugendlichen. Aus ihrer Sicht hat das Bundesgesetz vieles nicht klar und eindeutig geregelt. In Biergärten sei die Situation unüberschaubar, Kinder seien oft in der Nähe. Ähnlich sei es auf Volksfesten – Kinder stünden fürs Karussell oder die Zuckerwatte an. Dass Minderjährige da mit Cannabis in Kontakt kommen, sei nicht auszuschließen, so Gerlach.

Clemens Baumgärtner: “Stellen Sie sich vor, es ist Wiesn und alles riecht nach Kiff”

Zumindest aus dem Münchner Stadtrat gibt es für diesen Vorstoß der Staatsregierung wenig Zuspruch. Außer freilich die von der CSU: Sowohl Fraktionschef Manuel Pretzl als auch Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner loben, dass der Freistaat nun Kinder und Jugendliche mehr schütze. “Stellen Sie sich vor, es ist Kinder-Nachmittag auf der Wiesn und alles riecht nach Kiff”, sagt Baumgärtner, der als Wirtschaftsreferent auch Wiesn-Chef ist.

Aber sollte München nun noch weitere Verbote erlassen? Anordnen müsste diese das Kreisverwaltungsreferat (KVR). Doch vorbereitet hat die Behörde noch keine weiteren Verbote, teilt KVR-Chefin Hanna Sammüller-Gradl (Grüne) mit.

Kiffen auf der Wiesn verboten: “Mir macht es keine Freude Verbote auszusprechen”

Nicht einmal CSU-Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner drängt darauf. Über weitere Verbote habe er sich noch keine Gedanken gemacht, gesteht er am Telefon. “Ich bin eigentlich ein Mensch der Freiheit, dem es keine Freude macht, Verbote auszusprechen.” Deshalb plädiere er dafür, dass München erst einmal abwarten und erst eingreifen solle, wenn es gar nicht funktioniert.

CSU-Fraktionschef Pretzl sieht es anders: “Wir erwarten, dass die Stadtverwaltung dem Stadtrat so bald wie möglich einen Vorschlag unterbreitet, der Kinder und Jugendliche vor passivem Kiffen schützt.”

Doch, wenn es nach einer Mehrheit im Stadtrat und der Rathaus-Spitze geht, wird da wohl nicht viel kommen. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) erinnert daran, dass bereits das Bundesgesetz Cannabis-Konsum in der Nähe von Kindern verbietet.

Münchens OB Dieter Reiter: Keine “unsinnigen Verbote” 

“Ich glaube daher nicht, dass wir für öffentliche Bereiche, in denen sich regelmäßig viele Menschen, vor allem auch Kinder und Jugendliche auf engem Raum aufhalten, noch extra Regelungen brauchen”, sagt Reiter. “Ich halte Aufklärung und Prävention für deutlich wichtiger als unsinnige Verbote.”

Der Zweiter Bürgermeister Dominik Krause (Grüne) kann zwar nachvollziehen, dass es Gründe für ein Cannabis-Verbot auf der Wiesn gibt. Allerdings sei es ein Fest der Stadt München, deshalb sollte ein Verbot dort aus seiner Sicht eine Entscheidung des Stadtrats sein.

Dominik Krause stört, dass sich der Freistaat in Angelegenheiten der Stadt einmischt. Die Wiesn sei schließlich ein städtisches Fest.
Dominik Krause stört, dass sich der Freistaat in Angelegenheiten der Stadt einmischt. Die Wiesn sei schließlich ein städtisches Fest.
© Sigi Müller
Dominik Krause stört, dass sich der Freistaat in Angelegenheiten der Stadt einmischt. Die Wiesn sei schließlich ein städtisches Fest.

von Sigi Müller

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“Mich stört die Übergriffigkeit der CSU, alles zu verbieten, was nicht dem eigenen Weltbild entspricht, ob es das Gendern ist oder jetzt Cannabis-Konsum”, sagt Krause. “Freiheit bedeutet, Lebensweisen zu akzeptieren, die man selbst nicht teilt. Die CSU hat das Prinzip von leben und leben lassen nicht verstanden.”

Grüne: “Zusätzliche Verbotszonen und Schikanen lehnen wir ab”

Ähnlich äußert sich Grünen-Stadträtin Clara Nitsche: “Das hartnäckige Festhalten an überholten Feindbildern und das Schüren von Ängsten gehören offenbar zur DNA der CSU. In München werden wir uns für einen liberalen Kurs einsetzen. Zusätzliche Verbotszonen und Schikanen lehnen wir ab.”

Auch Lena Odell, die in der SPD-Fraktion für alle Themen rund um Kinder und Jugendliche zuständig ist, plädiert dafür, dass die Stadt mit Augenmaß vorgehen und sich die Einzelfälle anschauen solle. Sofort weitere Verbote, etwa in Freibädern, schließt sie aus.

Linke: “Mit Entkriminalisierung hat das nichts mehr zu tun”

“An Spießigkeit nicht zu übertreffen”, lautet das Fazit des FDPlers Jörg Hoffmann. Gerade das Verbot im Englischen Garten kann er nicht nachvollziehen. Die Folge der weiteren Verbote sei nur, dass Polizei und Behörden nun noch mehr Arbeit hätten.

Linken-Chef Stefan Jagel fürchtet, dass das ohnehin schon komplizierte Cannabis-Gesetz nun endgültig niemand mehr versteht. “Mit Entkriminalisierung hat das nichts mehr zu tun”, findet er.





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