Bevor die deutsche Nationalmannschaft um 16.54 Uhr in die Sonne von Jena tritt, sind die Fans vor dem Stadion im Ernst-Abbe-Sportfeld schon auf Temperatur. Vorfreude auf die Europameisterschaft im eigenen Land? EM-Euphorie? „Jaaa, die ist auf jeden Fall da!“, ruft die 20 Jahre alte Julia Ulbricht, die mit zwei Freundinnen am Osteingang der Arena des Regionalligisten FC Carl Zeiss steht. Sie trägt ein Trikot des FC Bayern. Bei der Frage nach ihrem Lieblingsspieler des DFB dreht sie sich um und zeigt auf ihren Rücken. Dort steht: MUSIALA.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Mit den Vergleichen zum Sommermärchen 2006 muss man ihr und ihren Freundinnen nicht kommen. Sie waren zu jung, als eine deutsche Auswahl beim bisher letzten Turnier auf heimischem Boden, damals einer WM, das Land in einen Rausch versetzte. „Mein prägender Moment war die WM 2014. Da hat mich die Nationalmannschaft richtig abgeholt“, sagt Julia Ulbricht. Ihre Zuversicht für das bevorstehende Turnier speist sich aus der Person des Bundestrainers: „Ich vertraue auf Julian Nagelsmann.“ Wie gesagt: Sie ist Bayern-Fan.

Feuerten das DFB-Team beim Training an: Julia Ulbricht (Mitte) mit ihren Freundinnen Shirin Dalgic (l.) und Lavinia Mielke (r.).

Feuerten das DFB-Team beim Training an: Julia Ulbricht (Mitte) mit ihren Freundinnen Shirin Dalgic (l.) und Lavinia Mielke (r.).

YouTuber crasht DFB-Training

Bei dem öffentlichen Training in Jena zum Start der deutschen EM-Vorbereitung geht es weniger um das „Training“, mehr um das „öffentlich“. Die Veranstaltung hat den Zweck, sich den Menschen in Thüringen zu zeigen und Begeisterung für die EM zu entfachen. Den ersten Eindrücken zufolge ist das allerdings gar nicht mehr nötig. Die Begeisterung ist schon da – zumindest in Jena. Das Stadion ist weit vor Beginn der Einheit voll, auffallend viele Kinder, viele DFB-Trikots, viele Fahnen. Die Zuschauer am Spielertunnel bringen zum Einlauf der Profis die Handy-Kameras in Stellung, als würden sie die Ankunft von Popstars erwarten, nicht einen arg ausgedünnten DFB-Kader.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

17 Feldspieler und zwei Torhüter nur hat Bundestrainer Nagelsmann in Jena zur Verfügung. Nicht dabei sind unter anderem die Profis aus Leverkusen (Double-Nachwehen), Barcelona (am Sonntagabend noch im Einsatz), Dortmund und Madrid (diese Woche Samstag Gegner im Champions-League-Finale). Zum Auftakt der Übung, bei der sich am Anfang der YouTuber Marvin Wildhage einschleust, erklingt jenes Lied, das zur – inoffiziellen — deutschen EM-Hymne werden soll: „Major Tom“ von Peter Schilling. Im Laufe der Einheit gibt es immer wieder Applaus – oft, ohne dass erkennbar ist, wofür. Die Welle wandert durch die Arena. Es gibt Spiele, bei denen die Stimmung schlechter ist. Und die Veranstaltung in Jena ist bekanntlich gar kein Spiel. Gesänge feiern vor allem einen Spieler: „Thoooomas Müller“, der das Training nach einem Schlag aufs Knie mit einer Bandage beenden muss. Der DFB gibt nach dem Training jedoch schnell Entwarnung.

15.000 Menschen füllen das Stadion. Die kostenlosen Karten waren angeblich in Rekordzeit weg. Julia Ulbricht und ihre Freundinnen berichten, dass sie auf spezielle Beziehungen angewiesen waren, um einen Platz in der Arena zu erlangen. „Schwerer als für Taylor Swift“ seien die Tickets zu bekommen gewesen, sagen sie. Dafür bietet das Training der Nationalmannschaft zum Start der EM-Vorbereitung etwas, das bei Konzerten der US-Sängerin nicht zu haben ist – Nähe. Nach einer Stunde bittet Nagelsmann seine Profis vom Platz. Die Spieler werfen danach kleine Bälle ins Publikum und geben Autogramme. Nagelsmann richtet ein paar Worte an die Zuschauer und bittet um Unterstützung für die EM. Die Besucher des Trainings in Jena dürften seiner Aufforderung folgen.



Source link www.ln-online.de