Papst Franziskus ist dafür bekannt, dass er nicht viel auf diplomatische Rücksichtnahme gibt, dass er gerne spontan formuliert und dabei auch mal eine flotte Zunge pflegt. Diese Angewohnheit, verbunden mit der traditionell sehr zurückhaltenden Informationspolitik seiner Presseleute, kann zu einer toxischen Mischung führen – wie jetzt. Zunächst unter Vatikanbeobachtern und jetzt auch in der breiten Öffentlichkeit werden heftig Medienberichte diskutiert, wonach der Papst bei einem vertraulichen Treffen mit italienischen Bischöfen zarte Initiativen rüde gestoppt haben soll, Homosexuelle in Priesterseminare aufzunehmen.

Es gebe – und jetzt kommt es – ohnehin schon genug “frociaggine” in den Seminaren, soll Franziskus gesagt haben, und das wäre dann sicher eine Wortwahl, die man nicht von Würdenträgern erwartet und schon gar nicht von einem Papst, und mag er noch so volkstümlich sein wollen.

Hat Franziskus nur einen “Scherz” gemacht?

Frociaggine bedeutet etwas wie Schwulheit; die Ausgangsform frocio ließe sich derber sogar mit “Schwuchtel” übersetzen, es ist laut Lexikon ein “vulgärer” Begriff, er wird vielleicht in der Bar verwendet – aber niemals in einem seriösen Umfeld. Entsprechend entsetzt sollen Bischöfe über ihr Kirchenoberhaupt gewesen sein, und offenbar haben Teilnehmer der Runde den Vorgang an die Medien “durchgestochen”, wie Journalisten sagen.

Am Dienstag berichteten mehrere Zeitungen darüber, aber immer nur vom Hörensagen; auch die größte italienische Tageszeitung Corriere della Sera, die in vatikanischen Dingen gewöhnlich gut informiert ist, hat ihre Quellen angezapft. Womöglich habe der Papst nur einen “Scherz” gemacht, werden ungenannte Bischöfe zitiert, oder ihm sei die Bedeutung des Begriffs nicht geläufig gewesen. Der Argentinier spricht den römischen Gepflogenheiten entsprechend viel und gut Italienisch, aber er ist kein Muttersprachler und macht Fehler.

Später am Dienstag folgte dann die Entschuldigung, per Mail verschickt vom sonst eher zurückhaltenden Pressechef: “Der Papst hatte nie die Absicht, sich in homophober Weise zu äußern oder zu beleidigen”. Er entschuldige sich bei denjenigen, die sich “beleidigt fühlten”.

Einige Bischöfe wünschen sich, auch Homosexuelle zum Priesteramt zuzulassen

Am 20. Mai hatte sich der Papst mit den italienischen Bischöfen getroffen, es gab Verschiedenes zu besprechen, unter anderem den Wunsch der Runde, angesichts des Nachwuchsmangels bei der Rekrutierung von Priestern und des veränderten gesellschaftlichen Klimas auch bekennende Homosexuelle zuzulassen, wenn sie ihre Neigung nicht ausleben. Das wäre eine Änderung der bisherigen Bestimmungen für die Priesterausbildung, die der Deutsche Benedikt XVI. 2005 festgeschrieben hatte und die Franziskus bestätigt hat. Gegen den Wunsch der Bischöfe nach Liberalisierung der Praxis soll sich der Papst mit drastischer Wortwahl gewendet haben.

Seine Bemerkung würde im Widerspruch zu der größeren Toleranz gegenüber der LGBT+-Gemeinschaft stehen, die er selbst bisher gegen den Widerstand des konservativen Klerus setzte. Kurz nach seiner Wahl 2013 hatte er viel beachtet gesagt: “Wer bin ich, dass ich darüber urteilen kann?” Im vergangenen Dezember billigte er eine Richtungsentscheidung, wonach Priester unverheiratete und gleichgeschlechtliche Paare – wenn auch unter bestimmten Bedingungen – in der Kirche segnen dürfen. Entsprechend groß ist die Aufmerksamkeit für die jüngste Äußerung des Papstes.



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