Panten. Grün, glitschig und so groß wie ein Fingernagel. Die vier Gliedmaßen der Amphibien zappeln wild, als Biologe Hauke Drews den Deckel eines weißen Plastikeimers anhebt. In dem Eimer schwimmen gut einhundert acht Wochen alte Rotbauchunken. Die kleinen Froschlurche mit den knallroten Bäuchen gehören zu den am stärksten gefährdeten Arten Schleswig-Holsteins. In Deutschland kommen sie laut der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein nur noch im Norden und Nordosten vor.

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Rund 550 Mini-Unken setzen Hauke Drews und Amphibien-Experte Florian Bibelriether an diesem Tag in Panten im Herzogtum Lauenburg aus. Sie stehen auf einem 150 Hektar großen Weideland. Es gehört dem Biobauern Detlef Hack vom Lämmerhof. Die Wiese ist von Gewässern durchzogen, der Boden ist feucht. Hohe Gräser säumen die Ufer der Seen und Tümpel. Eine Rinderherde weidet nur wenige hundert Meter entfernt. Drews kippt den Eimer mit den strampelnden Mini-Unken vorsichtig am flachen Rand des Tümpels. Die jungen Unken zappeln flink ins klare Wasser.

1000 Exemplare werden ausgesetzt

Um die Art vor dem Aussterben zu retten, setzt die Stiftung Naturschutz insgesamt 1000 junge Unken im Herzogtum Lauenburg aus: am Pantener Moorweiher, in Woltersdorf und auf den Flächen des Lämmerhofs. Rotbauchunken fühlen sich in sauberen, flachen und sonnigen Gewässern ohne Fische wohl. Davon gibt es heute nicht mehr viele.

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Vor rund 50 Jahren lebten in der Region noch heimische Rotbauchunken. Aber der Mensch hat die Lebensumgebung der Amphibien verändert: Wo sich früher grüne, feuchte Weideflächen erstreckten, gibt es nun hektarweise Ackerland mit Tausenden Metern Drainagerohren. „Da überlebten nur noch die anspruchslosen Arten wie Grünfrösche, Erdkröten oder Teichmolche“, erklärt Drews. Damit es in der Region wieder Lebensräume für die seltene Art gibt, haben Hauke Drews und sein Team in den vergangenen Jahren an mehreren Orten Froschparadise hergerichtet und dafür Gewässer angelegt.

Die acht Wochen alten Rotbauchunken sind rund einen Zentimeter groß. Durch die Aufzucht in einer Station sind sie besonders groß und stark für ihr Alter und haben somit gute Überlebenschancen in freier Wildbahn.

Die acht Wochen alten Rotbauchunken sind rund einen Zentimeter groß. Durch die Aufzucht in einer Station sind sie besonders groß und stark für ihr Alter und haben somit gute Überlebenschancen in freier Wildbahn.

Landwirtschaft und amphibienfreundlicher Naturschutz müssen sich nicht ausschließen, wie das Projekt zeigt. Der Lämmerhof von Biobauer Detlef Hack betreibt artenschutzorientierte Landwirtschaft. „Als ich den Hof vor 36 Jahren von meinem Vater übernommen habe, war für mich klar, dass hier Landwirtschaft und Naturschutz zusammengeführt und gelebt werden“, sagt Hack. Die Rotbauchunke füge sich nahtlos in seinen „wildbunten Strauß aus Landwirtschaft und Naturschutz“ ein.

Sie sollen sich künftig in den Gebieten ansiedeln und fortpflanzen. „In drei oder vier Jahren hören wir hoffentlich die ersten Konzerte“, sagt Biologe Drews. Wenn alles klappt, beginnt dann ihre Fortpflanzung. Ob sich die Rotbauchunken durch das Projekt nachhaltig verbreiten und vermehren, können die Naturschützer in fünf Jahren sehen. Dann müssten die ersten Kaulquappen in den Gewässern schwimmen. Bei idealen Bedingungen werden die Tiere bis zu 40 Jahre alt, sagt Experte Florian Bibelriether.

Im Video: Hunderte Rotbauchunken zurück in der freien Wildbahn

Die Amphibienart ist stark gefährdet: Im Herzogtum Lauenburg hat die Stiftung Naturschutz jetzt rund Tausend Unken ausgesetzt. Sie sollen sich dort ansiedeln.

Die Unken kommen aus dem Salemer Moor und Eichhorst. Dort gibt es noch eine natürliche Population. „Im April haben wir dort 1600 Eier gesammelt, die in einer Aufzuchtstation in Niedersachsen aufgewachsen sind“, erzählt Drews. Florian Bibelriether, der die Tiere gemeinsam mit Drews aussetzt, leitet die Aufzuchtstation. Während in freier Wildbahn rund zehn Prozent der Eier überleben, sind es in der Aufzuchtstation ganze 90 Prozent. Außerdem sind die Tiere bereits größer und stärker, wodurch sie in der Natur jetzt weitaus bessere Überlebenschancen haben. 200 Jungtiere kommen zurück in ihre „Elternteiche“.

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Doch bei all der Freude, als die niedlichen Tiere von den Plastikeimern ins klare Wasser hopsen, betont Experte Florian Bibelriether: Der Einsatz für Amphibien ist kein Hobby, sondern eine gesellschaftliche Pflicht. Die Art ist europaweit nach der sogenannten Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie geschützt. Auf diese Weise sollen natürliche Lebensräume erhalten werden. Die Bundesländer haben die Aufgabe, die Richtlinie einzuhalten – sonst drohen Strafen. Nicht überall klappt das laut Bibelriether so gut wie in Schleswig-Holstein.

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Schon jetzt zeigt die jahrelange Arbeit von Hauke Drews und seinem Team Erfolge: Die Rotbauchunke war in Schleswig-Holstein vom Aussterben bedroht. Heute ist sie dies nicht mehr, gilt aber weiterhin als stark gefährdet. „Das ist bundesweit einzigartig“, sagt Drews über den positiven Trend. Die Unken haben in Schleswig-Holstein wieder begonnen, sich von den Naturschutzflächen in die umgebende Landschaft auszubreiten. In diesem Jahr tauchten die rotbauchigen Amphibien nach 30 Jahren zum ersten Mal wieder in zahlreichen Gebieten der Kreise Ostholstein und Plön auf. Trotzdem ist der Weg zu robusten Populationen noch weit. Drews ist fest entschlossen: „Wir müssen weitermachen.“

LN



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