Polens Parlament hat verschiedene Gesetzesvorschläge für ein
liberaleres Recht auf Schwangerschaftsabbrüche zur Beratung angenommen. Eine Mehrheit
der Abgeordneten der Regierungskoalition von Ministerpräsident Donald Tusk stimmte
dafür, vier Gesetzesentwürfe in einem Sonderausschuss prüfen zu lassen.

Polen hat eine der strengsten Regelungen zu
Schwangerschaftsabbrüchen in ganz Europa. 2020 wurde es unter der damaligen
nationalkonservativen PiS-Regierung vom Verfassungsgericht weiter verschärft. Seitdem
ist ein Schwangerschaftsabbruch nur nach einer Vergewaltigung, Inzest, oder
wenn das Leben der Schwangeren in Gefahr ist, erlaubt.

Innerhalb der Mitte-Links-Koalition von Tusk sind sich die drei
Parteien zwar einig darüber, die Gesetze zu liberalisieren. Uneinig sind sie
jedoch darüber, wie weit das gehen soll. Daher werden verschiedene Anträge geprüft.

Verschiedene Entwürfe aus der Regierung

Der Gesetzentwurf von Tusks liberalkonservativer Partei
Bürgerkoalition sieht die Legalisierung von Abbrüchen bis zur zwölften
Schwangerschaftswoche vor. Das Linksbündnis Lewica fordert dasselbe in einem
eigenen Reformvorschlag, will aber in einem weiteren Gesetzentwurf noch Straffreiheit
durchsetzen.

Die christlich-konservative Partei Dritter Weg schlägt
hingegen die Rückkehr zur sogenannten Kompromisslösung vor, die bis zum Urteil
des Verfassungsgerichts von 2020 galt. Das würde bedeuten, dass Schwangerschaftsabbrüche
in Polen nur nach einem Verbrechen oder bei Gefahr für Schwangere sowie auch den Fötus
legal werden. Letzteres gilt seit dem Urteil des Gerichts nicht mehr.

Präsident Duda wird wohl ein Veto einlegen

Wenn eine Frau in Polen selbst ihre Schwangerschaft beendet,
wird dies zurzeit nicht bestraft. Wenn ihr jedoch jemand dabei hilft, muss er oder
sie mit bis zu drei Jahren Gefängnis rechnen. Nach Angaben des
Gesundheitsministeriums wurden 2022 in polnischen Krankenhäusern lediglich 161 Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen. Allerdings beenden viele Polinnen ihre Schwangerschaft mithilfe von
Medikamenten, die sie sich per Post aus dem Ausland
schicken lassen. Gruppen, die ihnen dabei helfen, schätzen die Zahl der so
abgebrochenen Schwangerschaften in Polen auf rund 120.000 pro Jahr.

Der Sonderausschuss soll nun versuchen, einen von allen Regierungsparteien
getragenen Entwurf herauszuarbeiten. Der konservative Präsident Andrzej Duda wird jedoch wohl in
jedem Fall sein Veto einlegen. Im März hat er bereits ein Gesetz gestoppt, das
den Verkauf der “Pille danach” ohne Rezept an Frauen und Mädchen ab 15 Jahren vorsah.
Dudas Amtszeit läuft noch bis Sommer kommenden Jahres. Befürworter einer liberaleren Gesetzeslage begrüßten
die Beratungen im Parlament, sagten daher aber auch, sie erwarteten so schnell keine
grundlegende Änderung. 

Gegner einer Reform mobilisieren derweil im ganzen Land. Die
katholische Kirche rief Gläubige in einer von der staatlichen
Nachrichtenagentur PAP verbreiteten Erklärung dazu auf, den Sonntag zu einem
Tag des Gebets “zur Verteidigung des empfangenen Lebens” zu machen. Nach
katholischer Lehre beginnt menschliches Leben in dem Augenblick, in dem Samen-
und Eizelle verschmelzen.



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