Die Sorgen gingen im Applaus zur Wiederwahl unter. Während der alte und neue CDU-Parteichef Friedrich Merz am Montag in Berlin die Ovationen dankbar entgegennahm, beschäftigte die Delegierten aus dem Rhein-Erft-Kreis eine brisante Medien-Anfrage.

Recherchen des Kölner Stadt-Anzeigers und von FOCUS online hatten eine ominöse Parteispende des Frechener Anwalts Claus B. an die CDU im Jahr 2022 enthüllt.

Der 42-jährige Jurist, der inzwischen als einer der mutmaßlichen Bosse einer weitverzweigten Schleuserbande in Untersuchungshaft sitzt, hatte seinerzeit der Partei im Rhein-Erft-Kreis laut dem CDU-Rechenschaftsbericht 14.990 Euro zukommen lassen.

15.000-Euro-Spende an die CDU – und ein böser Verdacht

Wie FOCUS online aus Justizkreisen erfuhr, geht der zuständige Staatsanwalt Hendrik Timmer in Düsseldorf dem Anfangsverdacht nach, dass ein führender Politiker im Gegenzug für die Spende Türen bei Ausländerämtern geöffnet haben soll. In dem Zusammenhang wurde bei dem Unions-Granden im Rhein-Erft-Kreis durchsucht.

Am Dienstag meldete sich ein Medienanwalt im Namen des beschuldigten Politikers mit folgendem Statement:

„Unser Mandant war nicht in strafbarer Weise an Aktivitäten beteiligt, die es Menschen aus dem Ausland ermöglicht hätten, auf nicht legalem Weg in Deutschland Fuß zu fassen. Von kriminellen Schleuser-Aktivitäten hatte unser Mandant niemals Kenntnis oder auch nur eine Ahnung.“  Auch habe der Politiker „im Zusammenhang mit dem beschuldigten Rechtsanwalt niemals eine Aktivität in Erwartung einer Spende unternommen“. 

Gelder aus dem Schleusertopf sollen den Ermittlungen zufolge auch dazu gedient haben, das Hotel „Villa Sophienhöhe“ des Ex-Landrats Werner Stump finanziell über Wasser zu halten. Auch bei dem CDU-Politiker wurde durchsucht, sein Anwalt hat jegliche Vorwürfe gegen seinen Mandanten zurückgewiesen.

Schleuser-Bande soll reiche Chinesen angelockt haben

Knapp 350 wohlhabende Chinesen, Inder und Araber nebst Familien soll die Schleuser-Connection um die beiden Kölner Anwälte Claus B. und Johannes D.,46, in ihren Heimatländern meist über Online-Plattformen angeworben und nach Deutschland gebracht haben. 

Demnach wurde mit zahlreichen Versprechen für ein „Residenzprogramm Deutschland“ geworben. Etwa mit dem „Zugang zu erstklassigen Gesundheitseinrichtungen auf Weltklasse-Niveau“, einem „kostenlosen Unterricht in Schulen und Universitäten mit Lehrveranstaltungen in Englisch“ oder einem „Anspruch auf (die deutsche) Staatsbürgerschaft“ nach acht Jahren. 

Tatsächlich brachte so mancher reiche Kunde über dieses Modell seine Kinder in deutschen Elite-Internaten unter – etwa am Bodensee.

Das All-Inclusive-Paket für den Aufenthalt von zunächst drei Jahren kostete laut Staatsanwaltschaft 360.000 Euro. Den dicksten Posten mit 250.000 Euro machte ein „Investitionsbetrag“ in einen angeblichen „Entwicklungsfonds“ aus.

Für die Wohnanschrift der mutmaßlichen Scheinmigranten wurden 25.000 Euro kassiert. Dazu, unter dem Stichwort „ständiger Wohnsitz“, kamen noch 20.000 Euro Anwaltskosten. Weitere 27.000 Euro wurden für eine unter anderem mit Business-Plänen mutmaßlich vorgetäuschte Geschäftstätigkeit kassiert und 38.000 Euro wurden für nicht näher spezifizierte „Beratungskosten“ angesetzt.

Das komplizierte Schleuser-Konstrukt beinhaltete 29 Firmen und 205 sogenannte „Anderkonten“, auf die jene Luxus-Migranten insgesamt 9,2 Millionen Euro eingezahlt haben sollen. 

Mit falschen Arbeitspapieren und fingierten Wohnmeldeadressen erschlich sich die Bande im Namen ihrer Kunden bei deutschen Konsulaten in China ein Visum. Sobald die Zuwanderer in Deutschland befanden, beantragte man in den Ausländerämtern in Kerpen, Bergheim, Düren und Solingen eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis.

Ermittlungen auch gegen Stadt-Mitarbeiter

In dem Kontext ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen zwei Mitarbeiter aus Solingen. Einer sitzt bei der Stadtverwaltung, der andere arbeitet bei der kommunalen Wirtschaftsförderung. Beide sollen gewusst haben, dass die Anträge der Schleusergang zu Aufenthaltstiteln auf falschen Angaben beruhten.

Mit dem Vorwurf konfrontiert, verwies ein Stadtsprecher auf die Unschuldsvermutung zu Gunsten der beiden Beschuldigten.

Die beiden Anwälte, die das Luxus-Schleusergeschäft gesteuert haben sollen, verfügten offenbar über diverse Kontakte in die Politik. So sollen 300.000 Euro an den einst führenden SPD-Politiker und Leiter der Stabstelle für Innovation im Landkreis Düren geflossen sein. Seit 2018 soll der inzwischen inhaftierte Jens Bröker für die Schleusergang Probleme bei der Ausländerbehörde gelöst haben.

Den Ermittlungen zufolge sollen die Bosse mit dem Sozialdemokraten je nach Person und Auftrag in bar abgerechnet haben. Neben seiner Stabsstellenfunktion leitete Bröker auch die indeland GmbH. Die interkommunale Entwicklungsgesellschaft fördert den Strukturwandel nach dem geplanten Ende der Braunkohletagebaus im Jahr 2030. Unter anderem soll die Gesellschaft neue Investoren generieren.

Einer der mutmaßlichen Schleuser-Bosse auf der Flucht

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergaben, dass der mittlerweile geschasste indeland-Chef Bröker seine mutmaßlichen Schmiergeldgeber ins Boot geholt haben soll. Die Anwälte sollen Berater-Honorare von der GmbH kassiert haben. Brökers Verteidiger wollte auf Anfrage keine Stellungnahme abgeben. 

Wie FOCUS online weiter erfuhr, hat das Amtsgericht inzwischen sieben der zehn verhafteten mutmaßlichen Hauptakteure von der Untersuchungshaft verschont.

Während seine mitbeschuldigte Kollegin aus der Kanzlei gegen Auflagen freikam, sitzt der Frechener Anwalt Claus B. weiter ein. Sein Verteidiger Hanno Lillig wollte sich auf Anfrage „derzeit nicht zu den Vorwürfen äußern“.

Anders als zuvor berichtet, befindet sich sein Anwaltskumpel, einer der mutmaßlicher Schleuser-Bosse, auf der Flucht. Einen Tag vor der Razzia hatte Johannes D. einen Flug nach Fernost angetreten. Sein Verteidiger Martin Bücher gab keinen Kommentar in dem Fall ab.  





Source link www.focus.de