Marktl am Inn – Die große Abstimmung diesen Sonntag ist die über Europa. Doch die großen Weichenstellungen der Zukunft finden auch auf unterer Ebene statt: Die von knapp 3000 Menschen bewohnte Gemeinde Marktl am Inn stimmt über vier der 27 geplanten Windräder des Windparks Altötting ab, die auf ihrem Gemeindegebiet liegen. Ein Nein könnte die Pläne insgesamt platzen lassen.

Die Region liegt im bayerischen Chemiedreieck: Dort sind verhältnismäßig viele Unternehmen aus der Chemie-Industrie angesiedelt. Die fressen ordentlich Strom: Sie verbrauchen laut dem Energie-Atlas Bayern fünf Terrawattstunden pro Jahr. Das entspricht etwa einem Prozent des Gesamtverbrauchs in Deutschland. Der Windpark mit seinen etwa 550 Gigawattstunden soll Entlastung bringen. “Mit dem Klimawandel und der dadurch notwendigen Transformation unserer Wirtschaft ist untrennbar ein Umbau des Energiesystems verbunden. Das bedeutet einen massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien und Stromnetze sowie weiterer Infrastrukturen – etwa für Wasserstoff – und das in allen Landesteilen”, sagt Bertram Brossardt, der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw).

Infrastrukturprojekte dieser Größenordnung müssen laut vbw leichter umsetzbar sein, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts und damit Arbeitsplätze zu sichern. Die vbw hofft darauf, dass die Bürger in Marktl an diesem Sonntag grünes Licht für die Windräder geben. “Grundsätzlich brauchen wir für Infrastrukturgroßprojekte in der Bevölkerung eine höhere Akzeptanz. Dafür muss ihr Wert für unsere wirtschaftliche Stärke und unsere Lebensqualität immer wieder herausgestellt werden”, sagt Brossardt.

Andere Bundesländer haben großen Vorsprung bei Windkraftgenehmigungen

Wie mäßig das klappt, deutete bereits der Bürgerentscheid in Mehring Ende Januar an. Die Mehrheit stimmte gegen die zehn Windräder auf ihrem Gebiet. Ursprünglich sollten einmal 40 Anlagen aufgestellt werden. Wenn die Bürger in Marktl gegen das Vorhaben stimmen, wären es nur noch 23. Bayern liegt ohnehin beim Windkraftausbau zurück. In 2023 wurden gerade einmal 17 neue Windräder genehmigt – obwohl es das flächenmäßig größte Bundesland Deutschlands ist. Die Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) hat berechnet, dass für Bayerns Ziel der Klimaneutralität 2040 jedes Jahr eigentlich 104 neue Windräder ans Netz gehen müssten. Dass diese Marke nicht unerreichbar ist, zeigen die Genehmigungen in anderen Flächenländern der Republik: Nordrhein-Westfalen erlaubte 333 neue Windkraftanlagen, Schleswig-Holstein 250 und Niedersachsen 194.

Doch der Widerstand in den Gemeinden ist teils heftig. Als Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) Mitte Mai im Bürgersaal von Marktl mit den Bewohnern über das Projekt sprechen wollte, hatte er mit Buh- und Zwischenrufen von Windparkgegnern zu kämpfen. Ein zur Diskussion eingeladener Vertreter der Bürgerinitiative Gegenwind Altötting verließ sogar unter Applaus und mit einem Teil der versammelten Initiative den Saal.

Hubert Aiwanger (Freie Wähler), Wirtschaftsminister von Bayern, spricht Mitte Mai währendeiner Diskussionsveranstaltung zum geplanten Windpark Altötting im Bürgersaal von Marktl.
Hubert Aiwanger (Freie Wähler), Wirtschaftsminister von Bayern, spricht Mitte Mai währendeiner Diskussionsveranstaltung zum geplanten Windpark Altötting im Bürgersaal von Marktl.
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Hubert Aiwanger (Freie Wähler), Wirtschaftsminister von Bayern, spricht Mitte Mai währendeiner Diskussionsveranstaltung zum geplanten Windpark Altötting im Bürgersaal von Marktl.

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Diese schreibt auf ihrer Webseite: “In unserer windarmen Region können noch so viele Windräder unsere Wirtschaft nicht retten.” Weiter heißt es: “Wir möchten verhindern, dass unser Bannwald zum Industriegebiet wird.” Dem BR sagte Aiwanger: “In Marktl haben wir jetzt drei Windräder gestrichen, die die Gemeinde Marktl betroffen hätten, und ich hoffe, dass sie das als gangbaren Kompromiss akzeptieren.” Welches Ergebnis er für diesen Sonntag erwartet, beantwortete er der AZ nicht.





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