BERLIN. Der verstorbene CDU-Politiker Wolfgang Schäuble hat in seinen Memoiren geschildert, daß der damalige CSU-Chef Edmund Stoiber anläßlich der Asylkrise 2015 versucht haben soll, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu stürzen. Schäuble schrieb dazu: „Inzwischen wurde auch Edmund Stoiber aktiv und feuerte Seehofer, seinen Nach-Nachfolger im Ministerpräsidentenamt, in dessen Attacken gegen Merkel an. Und mich wollte er dazu bewegen, Merkel zu stürzen, um selbst Kanzler zu werden“, heißt es in einem vom Stern veröffentlichten Auszug.
Zuvor soll der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer der Kanzlerin „wie einem Schulmädchen“ die „Leviten“ gelesen haben. Stoiber soll sich dabei auf dessen Seite geschlagen haben.
Er selbst habe die Idee, Merkel zu stürzen, entschieden abgelehnt, schreibt Schäuble. „Der Sturz der eigenen Kanzlerin“ könne der eigenen Partei „nur schaden, ohne das Problem wirklich zu lösen“. Das sei sein „Verständnis von Loyalität, das nach heutigen Maßstäben vielleicht ein wenig antiquiert erscheint“, schreibt Schäuble in den Memoiren, die in der kommenden Woche erscheinen sollen.
Schäuble lobt „Wir schaffen das“-Satz
Der damalige Bundesfinanzminister bekundet in den Memoiren zudem seine grundsätzliche Unterstützung für die Entscheidung, die deutschen Grenzen im Herbst 2015 für Asylbewerber zu öffnen. Es sei aus „humanitären und europapolitischen Gründen“ die richtige Entscheidung gewesen.
Auch den Merkel-Ausspruch „Wir schaffen das“ habe er richtig gefunden. „Das waren starke Statements. Sie hätten eben nur von einer Vielzahl weiterer Maßnahmen und Anstrengungen begleitet werden müssen, um zu verdeutlichen, daß diese einmalige Notmaßnahme unwiederholbar war.“ Man habe den Bürgern „reinen Wein“ einschenken und klarmachen müssen, daß der „Einsatz für die Flüchtlinge eben auch mit Kosten und Opfern verbunden ist“.
Merkel sei „beratungsresistent“ gewesen
Merkel habe diese Strategie allerdings nicht verfolgt. Auch in anderen Dingen sei sie „beratungsresistent“ gewesen. „Nach meiner Einschätzung hätte sie ganz andere Möglichkeiten gehabt, um wirklich politisch zu führen und nicht nur zu reagieren“, klagt Schäuble in seinen Notizen.
Das Buch des früheren CDU-Politikers erscheint kommende Woche. Es trägt den Titel „Erinnerungen. Mein Leben in der Politik“. Schäuble war am 26. Dezember im Alter von 81 Jahren verstorben. (lb)