Nach nur zwei Verhandlungstagen werden im Prozess um das tödliche S-Bahn-Unglück von Schäftlarn am Amtsgericht München an diesem Donnerstag das Urteil erwartet. Angeklagt ist ein 56 Jahre alter Lokführer. Er hatte den Ermittlungen zufolge am 14. Februar 2022 ein rotes Signal und Vorschriften missachtet. Sein Zug kollidierte in der Folge mit einer entgegenkommenden S-Bahn.

In ihrem Plädoyer beantragte die Staatsanwaltschaft am Donnerstagvormittag eine Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten für den Mann. Die Verteidigung plädierte für eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten.

Der Angeklate hatte in dem Verfahren angegeben, er könne sich an den Unfall nicht erinnern. Er wisse nicht, warum er sich so verhalten habe. Zugleich nahm er die Schuld auf sich. Er könne kaum glauben, dass er solche Fehler gemacht habe, sagte er zum Auftakt des Prozesses im Februar. Es sei ihm unerklärlich, wie das geschehen konnte. Es tue ihm alles so leid, wiederholte der Mann mehrfach, während er immer wieder mit den Tränen kämpfte. Wenn er könnte, würde er alles ungeschehen machen.

Bei dem Zusammenstoß der beiden S-Bahnen am Valentinstag gegen 16.35 Uhr – mitten im Berufsverkehr – war ein 24 Jahre alter Mann getötet worden. Dutzende Menschen wurden teils schwer verletzt, darunter auch der angeklagte Triebfahrzeugführer und sein Kollege aus der entgegenkommenden S-Bahn. Dieser überlebte fast wie durch ein Wunder, der Führerstand war völlig zerstört. Die Triebwagen wurden bei dem Zusammenprall teils aus den Gleisen gehoben, der Schaden belief sich auf sieben Millionen Euro.

Angeklagter Triebfahrzeugführer hat mittlerweile neuen Job

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung in 51 Fällen sowie vorsätzliche Gefährdung des Bahnverkehrs vor. Auf fahrlässige Tötung stehen bis zu fünf Jahre Haft. Dennoch hat die Staatsanwaltschaft zu einem Schöffengericht aus einem Richter und zwei Schöffen angeklagt. Es kann eine Haftstrafe bis zu maximal vier Jahren verhängen. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die Anklagebehörde damals nicht von einer höheren Strafe ausging.

Der Angeklagte – ein gelernter Dreher – hatte erst ein dreiviertel Jahr vor dem Unfall die Prüfung zum Triebfahrzeugführer abgelegt. Damit habe sich ein Kindheitstraum erfüllt, sagte der Mann. Schon als kleiner Junge habe er Lokführer werden wollen. Seit Januar trägt er nun Post aus.

Prozess in München: Zwei Jahre nach dem tödlichen S-Bahn-Unglück muss sich der Triebwagenführer vor dem Amtsgericht München verantworten.

Zwei Jahre nach dem tödlichen S-Bahn-Unglück muss sich der Triebwagenführer vor dem Amtsgericht München verantworten.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Der Anklage zufolge hatte der Mann am Unglückstag den Zug mit der Nummer 6785 gefahren und sich zunächst vor dem Bahnhof Schäftlarn-Ebenhausen über eine Zwangsbremsung wegen zu hohen Tempos hinweggesetzt. Nach dem Ein- und Aussteigen der Fahrgäste soll er trotz eines roten Haltesignals losgefahren sein – und dann auch noch die darauffolgende erneute automatische Zwangsbremsung ausgehebelt haben.

Zeitgleich kam auf der eingleisigen Strecke die verspätete S-Bahn mit der Zugnummer 6776 aus München entgegen. Deren Lokführer erhielt ebenfalls Rot und leitete eine Schnellbremsung ein. Sein Zug kam nach zusätzlicher Zwangsbremsung zum Stehen. Als der junge Lokführer noch mit dem Fahrdienstleiter telefonierte, um nach den Gründen zu fragen, kam bereits die andere S-Bahn entgegen. Der angeklagte Lokführer leitete noch eine Schnellbremsung ein, doch das reichte nicht mehr. Die Triebfahrzeuge krachten ineinander.

Die ehemaligen Vorgesetzten des Angeklagten bei der Bahn stellten ihm vor Gericht ein grundsätzlich gutes Zeugnis aus. Er galt demnach als unauffällig, akkurat und pflichtbewusst.



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