Brüssel. Die EU-Kommission hat am Freitag Details vorgelegt, wie sie die Einfuhr großer Mengen russischen Getreides in die Europäische Union stoppen will. Der Vorschlag sieht höhere Zölle für Getreide, aber auch für andere Agrarprodukte aus Russland und Weißrussland vor.

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Die neuen Zölle sollen so hoch sein, dass sie eine Einfuhr in die EU unattraktiv machen. Ein EU-Beamter sagte am Freitag, der Hauptgrund für die Maßnahmen sei das Risiko einer Destabilisierung des Marktes durch russisches und belarussisches Getreide. „Russland hat seine Getreideproduktion in den vergangenen Jahren massiv gesteigert.“ Bisher sei es zwar nicht zu einer Destabilisierung des Getreidemarktes gekommen. Doch die Sorge sei groß, dass Russland eines Tages den europäischen Markt mit seinem Getreide überschwemmen könnte. „Diese Gefahr müssen wir sehr ernst nehmen.“

Außerdem müsse verhindert werden, dass Russland gestohlenes ukrainisches Getreide in der EU verkaufe und mit dem Geld den Krieg weiterführe. „Gestohlenes ukrainisches Getreide wird normalerweise nach Russland gebracht, dort mit neuen Papieren als russisches Getreide deklariert und in die EU exportiert“, sagte der EU-Beamte. Er erwartet, dass die Zölle die Menge an russischem Getreide in der EU deutlich reduzieren werden.

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Der Vorsitzende des EU-Ausschusses für Internationalen Handel, Bernd Lange (SPD), hält die Erhöhung der Zölle auf russisches Getreide für richtig und wichtig. „Die Zölle auf diese Produkte werden jetzt so hoch sein, dass diese Produkte so teuer sein werden, dass es de facto einem Verbot gleichkommt“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Aus einer Sicht berücksichtige der Vorschlag die Aufrechterhaltung globaler Lebensmittelversorgungsketten und auch die Interessen der europäischen Landwirtschaft. „Diese politische Entscheidung ist auch eine direkte Antwort auf die anhaltenden Bauernproteste, die bislang irrtümlicherweise gegen die Weizenimporte aus der Ukraine gerichtet waren.“ Die Klarstellung, dass russisches Getreide für die Disruptionen auf den EU-Märkten verantwortlich sei, hält er für einen wesentlichen Schritt zur Beruhigung der Proteste.

Ein Importverbot für russisches Getreide wäre für Lange der falsche Ansatz. „Sanktionen gegen russisches Getreide hätten zweifellos die Durchfuhr von lebenswichtigen Weizenprodukten durch die EU blockiert, was die Versorgungssicherheit in vielen Entwicklungsländern gefährdet hätte“, sagte er. Nun sei der Transit russischen Getreides über europäische Routen weiterhin möglich.

Bis zu fünf Millionen Tonnen weniger Getreide aus Russland und Belarus könnten die Zölle in diesem Jahr bewirken. Diese Lücke soll vor allem von europäischen Landwirten gefüllt werden, die auf vollen Getreidesilos sitzen. Eine Verknappung der Getreidemenge könnte auch zu einem Anstieg der Preise führen, von dem die Landwirte profitieren würden. Zudem rechnet die EU mit mehr Einfuhren aus Drittländern wie den USA, Brasilien, der Ukraine, Serbien und Argentinien.

Die Zölle sollen je nach Produkt entweder 95 Euro pro Tonne oder einen Zollaufschlag von 50 Prozent betragen. Außerdem sollen Russland und Belarus keinen Zugang mehr zu den Getreidekontingenten der EU im Rahmen der Welthandelsorganisation haben. Nach Angaben der EU-Kommission exportierte Russland im vergangenen Jahr 4,2 Millionen Tonnen Getreide, Ölsaaten und daraus hergestellte Produkte im Wert von 1,3 Milliarden Euro in die EU. Hinzu kommen mehr als 600.000 Tonnen aus Belarus. Das Land ist ebenfalls von Zöllen betroffen, da es enge politische, wirtschaftliche und militärische Beziehungen zu Russland pflegt. Ohne die Ausweitung der Zölle auf Belarus könne Russland das Land nutzen, um die EU-Maßnahme zu umgehen.

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Da es sich formal nur um Änderung von Zöllen handelt, ist keine Abstimmung im EU-Parlament notwendig. Nur der Rat der EU muss zustimmen, das könnten die Minister bereits am Montag. Hier genügt eine qualifizierte Mehrheit, diese gilt als sicher. Nach RND-Informationen ist auch die Bundesregierung offen für Zölle auf russisches und belarussisches Getreide.

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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte am Rande des EU-Gipfels in Brüssel angekündigt, einen Vorschlag für Zölle auf russisches Getreide vorlegen zu wollen. Zuvor hatte eine von Tschechien angeführte Allianz mehrerer EU-Staaten Importbeschränkungen für russisches Getreide gefordert. Unter den Ländern befindet sich auch Polen, wo seit Monaten immer wieder Landwirte auf die Straße gehen und unter anderem gegen russische Getreideimporte demonstrieren.



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