“Lindner
raubt Rentner auf Geheiß der USA aus” titelte eine Seite, die dem Spiegel zum
Verwechseln ähnlich sah.

In Videos und Texten, die auf den ersten Blick wirkten, als stammten sie von der Süddeutschen Zeitung, wurde die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland gefordert. 

Gleicher Markenname, gleiche Optik: Die Inhalte
dienten dazu, Leserinnen in die Irre zu führen, so zu wirken, als seien sie auf
seriösen Nachrichtenseiten veröffentlicht, von deren Redaktionen geschrieben worden. Doch es handelt sich um gefälschte Beiträge, die
Teil der sogenannten
Doppelgänger-Kampagne
sind. Trolle hatten die
Seiten etablierter deutscher Medien wie vom Spiegel oder
der Süddeutschen Zeitung nachgebaut. 

Entdeckt wurde das bereits 2022, gestoppt werden konnte die Kampagne aber bis heute nicht. Viele Beobachter sind sich einig: Diese Inhalte stammen aus Russland. 

Die Doppelgänger-Artikel enthielten
zwar einige sehr offensichtliche Fehler und lassen sich auf den zweiten Blick
einigermaßen leicht als unauthentisch erkennen. Und trotzdem lassen die Zahlen
zu ihrer Verbreitung aufschrecken: Laut
AI Forensics hat die prorussische
Doppelgänger-Desinformationskampagne auf Facebook zwischen August 2023 und März
2024 bereits 38 Millionen Menschen in Deutschland und in Frankreich erreicht, das ist fünf- bis zehnmal mehr, als zunächst angenommen worden war. Aus einem im April veröffentlichten Bericht geht hervor, dass die Non-Profit-Organisation ein prorussisches Netzwerk identifiziert hat, das über gefälschte Konten auch irreführende Werbung beim Facebook-Konzern Meta gekauft hatte.

Schon im Januar dieses Jahres hatten Spezialisten
des Auswärtigen Amts beim Kurznachrichtendienst X eine weitere Welle
an Falschnachrichten ausgemacht
. “Der Krieg in der Ukraine wird in 3 Monaten vorbei sein”, das sollte beispielsweise die
deutsche Außenministerin Annalena Baerbock angeblich auf X
geschrieben haben – auch das war eine gefälschte Nachricht, eine Fotomontage, weiterverbreitet von unauthentischen Accounts. Binnen vier Wochen hatte das Auswärtige Amt dort 50.000
gefälschte Nutzerkonten identifiziert, die im Sekundentakt
posteten, offenbar automatisiert und algorithmisch gesteuert. Forensische Analysen sollen laut dem Ministerium belegen, dass diese Nachrichten ebenfalls Teil
der russischen Onlineoperation Doppelgänger sind. 

Und: Die Kampagne ist im wichtigen Wahljahr 2024 weiterhin aktiv. Das sei auch dem Bundesinnenministerium bekannt, teilte ein Sprecher in der vergangenen Woche mit. Dort machte man Doppelgänger zuletzt für das Verbreiten von Fakezitaten Prominenter verantwortlich. 

Versucht Russland, Wahlen zu beeinflussen?

All das befeuert die Sorge, dass sich Russland vor den Wahlen in Diskurse einmischt und damit die
Stimmungslage beeinflussen könnte, ob in Deutschland, Europa oder den USA. Im April hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor Beeinflussungsversuchen aus Russland gewarnt, ähnlich besorgt hatte sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser geäußert.

Spätestens seit der Wahl von Donald Trump 2016 wird darüber diskutiert, ob
es russische Einflussversuche auf Wahlen gibt und wenn ja, mit welcher
tatsächlichen Wirkung. Als vor vier Jahren erneut in den USA gewählt wurde, soll
Russland mutmaßlich wieder versucht haben, die Wahl zugunsten Donald Trumps zu
beeinflussen – zu
dem Ergebnis kamen jedenfalls die US-Geheimdienste
. Passiert
das nun auch hierzulande, wenige Wochen vor der Europawahl? Und wenn ja: Wie bedrohlich
ist das – auch angesichts des Erstarkens rechtspopulistischer und rechtsradikaler
Parteien? 



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