Berlin. Der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler, geht nach der jüngsten Festnahme von zwei deutschrussischen Spionen in Bayern, die offenbar Sabotageakte gegen militärische Einrichtungen in Deutschland planten, davon aus, dass dies nur die Spitze des Eisbergs ist. „Kriegerische Auseinandersetzungen sind immer auch die Stunde der Spione“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Russland hat daher in den letzten Jahren seine nachrichtendienstlichen Operationen kontinuierlich hochgefahren, nicht nur in der Ukraine, sondern im Westen generell.“
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Schindler fügte hinzu: „Spionage und Sabotage gehören eben zum Standard-Werkzeugkasten russischer Geopolitik. Die jetzt enttarnten geheimdienstlichen Aktivitäten in Deutschland sind daher keine Überraschung, sondern die Spitze des Eisbergs.“
Mehr Befugnisse angemahnt
Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Johann Wadephul, forderte Verteidigungsminister Boris Pistorius und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (beide SPD) auf, mehr dagegen zu tun. „Russland geht bei der Spionage in Deutschland immer aggressiver vor“, sagte er dem RND. „Dieser erneute Vorfall muss ein Weckruf für unsere Sicherheitsbehörden sein, vor allem für den Militärischen Abschirmdienst.“ Denn Einrichtungen der Bundeswehr seien ein Hauptziel.
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Der CDU-Politiker fuhr fort: „Ich erwarte, dass Verteidigungsminister Pistorius die Spionageabwehr zur Chefsache macht und alles daransetzt, Schaden von der Bundeswehr und unseren Verbündeten abzuwenden. Die russische Spionageabwehr muss auch bei Innenministerin Faeser einen höheren Stellenwert einnehmen. Hierzu höre ich von ihr zu wenig.“
Der Vizechef des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages, Roderich Kiesewetter (CDU), sagte: „Die Befugnisse unserer Dienste müssen überprüft werden hinsichtlich der Frage, ob sie angesichts der Spionage- und Sabotagedrohungen noch angemessen sind. Man muss auch die Visapolitik überprüfen. Denn viele russische Agenten sind mit Touristenvisa bei uns.“
Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), sagte: „Gesellschaft und Sicherheitsbehörden müssen sich darüber im Klaren sein, dass wir von Russland längst hybrid angegriffen werden.“ Deshalb seien entsprechende Schutzmaßnahmen erforderlich. „Wir müssen die Muster russischer Sabotage- und Spionageaktivitäten erkennen, um sie effektiv bekämpfen zu können“, so Hofreiter.
Hofreiter: „Jahre zu spät“
Dass die sogenannte „Volksrepublik Donezk“ infolge der Ermittlungen zu einer terroristischen Vereinigung erklärt wurde, sei eine treffende Beschreibung dieses Herrschaftssystems, betonte der Grünen-Politiker. „Insbesondere wenn man die zahlreichen Berichte über die Folterkammern in Donezk liest.“ Dieser Schritt komme allerdings Jahre zu spät, da das besetzte Gebiet im September 2022 von Russland annektiert worden sei.
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Die Bundesanwaltschaft hatte die Festnahme der beiden Deutschrussen aus Bayreuth am Mittwochmorgen bekannt gegeben. Beide kamen in Untersuchungshaft. Sie sollen im Auftrag des russischen Geheimdienstes militärische Stützpunkte ausgekundschaftet und Anschläge geplant haben. Einem der beiden wird zudem vorgeworfen, in der Ostukraine für die „Volksrepublik Donezk“ gekämpft zu haben. Dieser wird auch Gewalt gegen die Zivilbevölkerung zur Last gelegt.