Rostock. Schon jetzt gibt es in der Hansestadt zu viele Kita-, Krippen- und Hort-Plätze. Der zuständige Rostocker Sozialsenator Steffen Bockhahn (parteilos) denkt bereits über einen Abbau von Plätzen nach. Und nun das: Trotz des Überangebots in der Stadt darf das Institut Lernen & Leben (ILL) im neuen Wohngebiet „Kiefernweg“ im Süden Rostocks offenbar eine neue Kita errichten. Das Bauschild steht bereits.
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Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger (Linke) hat dem Projekt bereits ihren Segen erteilt und hält daran fest, obwohl stadtweit bereits 1500 Plätze in der Kindertagesbetreuung „leer stehen“ und sie selbst ein Verbot für neue Kitas ausgesprochen hat. Die Entscheidung wirft Fragen auf – und ist offenbar Rathaus-intern hochumstritten.
Trotz Überkapazitäten neue Kita in Rostock geplant
Die Vorgeschichte: Rund um den Kiefernweg entstehen in den kommenden Jahren insgesamt fast 230 neue Häuser. Die stadteigene Wohnungsgesellschaft Wiro hat dort Rostocks neuestes Wohngebiet erschlossen. Etliche Eigenheime sind bereits fertig, an anderen wird noch gebaut. Ursprünglich hatten sich mehr als 2500 Interessenten um das in der Hansestadt rare Bauland für Einfamilienhäuser beworben. Mit steigenden Baukosten und ebenfalls steigenden Zinsen nahm die Zahl der Bewerber aber rapide ab: Die Preise von 370 bis 420 Euro je Quadratmeter Bauland konnten sich offenbar immer weniger Interessenten leisten.
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Als die Bürgerschaft vor mittlerweile vier Jahren – vor der Coronakrise und dem Ukraine-Krieg mit all ihren Folgen – die Planungen für das Wohngebiet verabschiedete, beschloss sie auch eine neue Kita. Daher kaufte das ILL das Gelände für rund 1,6 Millionen Euro von der Wiro, um dort diese neue Kindertagesstätte mit 84 Plätzen zu bauen. An diesen Plänen hält das ILL auch fest, so Sprecherin Henrike Thaut auf OZ-Anfrage. Der Träger gehe fest davon aus, dass es „grünes Licht“ aus der Stadtverwaltung geben wird.
Will an der neuen Kita festhalten: Eva-Maria Kröger (Linke), Rostocks Oberbürgermeisterin.
Quelle: Frank Söllner
„Am Kiefernweg entsteht ein sehr großes neues Wohngebiet in sehr attraktiver Lage. In den kommenden zwei Jahren werden dort viele junge Familien hinziehen. Erste verbindliche Anfragen für die Kinderbetreuung an diesem Standort liegen uns bereits jetzt vor und bestätigen ganz eindeutig den Bedarf“, sagt Henrike Thaut. „Das einvernehmliche Ziel aller Beteiligten ist, für die Jüngsten und deren Eltern des neuen Wohngebietes kurze Wege zur Kita sicherzustellen.“ Zudem hoffe man darauf, dass auch Kinder aus dem Umland – aus der Nachbargemeinde Kritzmow etwa – die neue Einrichtung besuchen werden.
OB Kröger macht Ausnahme vom eigenen Verbot
Doch die neue Kita ist umstritten – wohl auch im Rathaus. Denn erst vor wenigen Wochen hatte Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger (Linke) der Bürgerschaft von den vielen freien Plätzen in Kita, Krippe und Horte berichtet und mit dieser Begründung die Idee einer zusätzlichen, von der Stadt selbst getragenen (kommunalen) Kita abgelehnt. Kröger hat zudem festgelegt, die Schaffung zusätzlicher Kapazitäten in der Kinderbetreuung grundsätzlich zu untersagen. In diesem Fall will sie aber noch eine Ausnahme machen.
„Die Bürgerschaft hat im März 2020 festgelegt, dass in dem neuen Wohngebiet eine Kindertagesstätte zu errichten ist. Die Kita Stadtweide verfügt nicht über hinreichende Reservekapazitäten für den Bedarf der zusätzlichen Wohnbauentwicklung und andere Kitas sind mehr als zwei Kilometer entfernt“, sagt Stadtsprecher Ulrich Kunze.
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„Wäre die Stadt von dem Vorhaben abgewichen, hätte sie zudem der Wiro aus der Stadtkasse 1,6 Millionen Euro erstatten müssen. Zudem waren sich die Oberbürgermeisterin und der Geschäftsführer der Wiro einig, dass eine über Jahre hinweg angekündigte Kita an dieser Stelle nicht gestrichen werden sollte.“
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Kritiker sagen jedoch, es wäre für die Stadt am Ende „günstiger“ gewesen, den B-Plan zu ändern und die Kita aus den Planungen zu streichen. Die Wiro hätte dann auf der 4400 Quadratmeter großen Fläche weitere Baugrundstücke verkaufen und auch Einnahmen in ähnlicher Höhe erzielen können.
Dass der Neubau am Kiefernweg gestattet werden soll, kommt unter anderem bei den „Finanzern“ im Rathaus nicht gut an: Für die geplanten 84 Plätze müssten Stadt und Land einen hohen sechsstelligen Betrag pro Jahr zusätzlich zahlen – obwohl anderenorts ausreichend und bereits „durchfinanzierte“ Krippen- und Kitaplätze frei sind. Auch die Bürgerschaft hat Redebedarf: „Die demografische Entwicklung spricht definitiv nicht dafür, dass wir noch zusätzliche Kita-Plätze schaffen. Und es ist auch nicht zu verstehen, warum sich die Oberbürgermeisterin an dieser Stelle über die Fachmeinung der Experten im Rathaus hinwegsetzt“, sagt Liberalen-Chefin Julia Pittasch. Die FDP habe Redebedarf.
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Intern soll sich Rostocks Stadtspitze verständigt haben, zudem eine neue Kita im geplante WarnowQuartier und den Ausbau einer bestehenden Betreuungseinrichtung zuzulassen. Was aus den angedachten Kitas wird, die in den noch zu entwickelnden Viertel „Groter Pohl“ und Werftdreieck geplant sind, ist bislang offen.
OZ