Das baskische Pro-Unabhängigkeitsbündnis EH Bildu geht mit viel Schwung in die Wahlen am 21. April.

Das baskische Pro-Unabhängigkeitsbündnis EH Bildu geht mit viel Schwung in die Wahlen am 21. April.

Foto: AFP/ANDER GILLENEA

»Man spielt nicht mit dem Lebensunterhalt«, versuchte es der nervöse Spitzenkandidat der Baskisch-Nationalistischen Partei (PNV) mit einem Tiefschlag. Imanol Pradales, der bei den Regionalwahlen im spanischen Nordwesten erstmals die PNV-Liste anführt, stimmte am Dienstag in der TV-Debatte der Spitzenkandidaten eine Angstkampagne gegen die Linkskoalition »EH Bildu« (Baskenland Vereinen) an. Die wolle im »Stil Venezuelas Lohnzettel und Ersparnisse« kontrollieren, behauptete er. Dass Bildu am 21. April bei den Wahlen die Christdemokraten als stärkste Kraft ablösen dürfte, gilt als wahrscheinlich. Die PNV versucht deshalb verzweifelt, noch unentschlossene Wähler hinter sich zu bringen. Die tendierten zuletzt stärker zu Bildu, die mit dem neuen Gesicht Pello Otxandiano antritt. Dem warf Pradales vor, die Steuern um »5000 Euro« pro Person erhöhen zu wollen.

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Stephanie Schoell

Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.

Die Nerven in der PNV-Zentrale liegen blank. Die Nervosität steigt auch in der spanischen Hauptstadt Madrid, da Umfragen zeigen, dass mit Bildu erstmals seit dem Ende der Franco-Diktatur eine Partei in der »Autonomen Baskischen Gemeinschaft« (CAV) gewinnen könnte, die historisch stets für die Unabhängigkeit von Spanien eingetreten ist. Spätestens mit der Umfrage des Zentrums für Soziologische Forschungen (CIS) kam vergangene Woche Panik auf, dass die PNV ihre jahrzehntelange Vorherrschaft verlieren könnte. Die staatlichen CIS-Meinungsforscher meinen, Bildu werde bis zu 35,1 Prozent erhalten, die PNV dagegen höchstens 33,5 statt zuvor 39 Prozent. Sogar eine Umfrage für die spanische Zeitung »ABC« – am rechten Rand angesiedelt – geht davon aus, dass Bildu nun 30 statt 21 Sitze erhält, die PNV nur noch 28 statt bisher 31. »ABC« ist sich darin mit der großen Tageszeitung »El País« einig.

Bildu punktet mit sozialen Themen

Der Bildu-Aufstieg hält seit Jahren an. Bei den spanischen Parlamentswahlen im letzten Sommer lag die PNV nur noch 0,1 Prozentpunkte und gut 1000 Stimmen vor Bildu. Die Koalition punktet stark bei jungen Wählern. Sie rückt soziale Themen in den Vordergrund: hohe Lebenshaltungskosten, steigende Mieten, Wohnungsnot oder der Niedergang des einst vorbildlichen Gesundheitswesens. Die Grundversorgung sei über Privatisierungen »ausgeblutet« worden und nun »drittklassig«, erklärte der Arzt Manel Ferran dem »nd« angesichts von Protesten und Streiks im Gesundheitswesen.

Der Versuch des bisherigen Regierungschefs Íñigo Urkullu (PNV), sichtbare Probleme zu negieren, verschärften den Unmut. Das neue Gesicht Pradales verspricht zwar Besserung, muss sich aber von Otxandiano die Frage gefallen lassen, warum bisher das Gegenteil der Fall ist. An der unbequemen Realität kommen auch die spanischen Sozialdemokraten (PSOE) nicht vorbei, da sie in einer Koalition mit der PNV regieren. Die in Madrid mit Pedro Sánchez den Regierungschef stellenden Sozialdemokraten können sich im Baskenland gemäß der Umfragen bei knapp 14 Prozent behaupten. 2009 kamen sie hier noch auf 30 Prozent.

Bildu profitiert auch vom Zerwürfnis und der Schwäche der spanischen Parteien links der PSOE. Auch im Baskenland tritt Podemos nach dem Bruch mit der neuen Linkskoalition »Sumar« (Summieren) getrennt an. Beide laufen Gefahr, an der Hürde von drei Prozent zu scheitern, um dann, wie im Februar in Galicien, nicht ins Parlament zu kommen.

Die Oase war nur eine Fata Morgana

Zunächst war auffällig, dass im Wahlkampf der ETA-Joker nicht gezogen wurde. Das hatten auch Opfer der Organisation begrüßt, die bis vor 13 Jahren bewaffnet für die Unabhängigkeit gekämpft hatte. Der Journalist Gorka Landaburu hatte angesichts der Tatsache, dass die ETA weiter im spanischen Diskurs missbraucht wird, davon gesprochen, dass man sich hier im Wahlkampf in einer »Oase« befände. »Es gibt keine Aufregung, keine Spannungen und Beleidigungen«, erklärte der Mann kürzlich, der die Instrumentalisierung der Opfer durch die spanische Rechte und Ultrarechte kritisiert. Doch die Oase war nur eine Fata Morgana. Der PNV-Kandidat zog nun doch den Joker. Pradales verwies darauf, dass sein Widersacher Otxandiano der Nachfolgepartei der einst in Spanien verbotenen Batasuna angehört, die der ETA politisch nahestand. Dass sich »Sortu« (Schaffen) von Gewalt distanziert hat und zur Abwicklung und Entwaffnung der ETA stark beitrug, ließ er unter den Tisch fallen. Ob die Angriffe unter der Gürtellinie noch verfangen, wird sich zeigen. Allerdings hat Bildu kaum eine Chance, die Regierung zu übernehmen. Zur Not wird das eine hier schwache rechte Volkspartei (PP) verhindern. Die PP soll hier erneut nur auf knapp sieben Prozent kommen.

Viele Bildu-Stammwähler tun sich bei den Wahlen aber schwer, da die Linkskoalition zu historischen Fragen wie die Unabhängigkeit oder Angriffe auf die baskische Sprache derzeit fast völlig schweigt. Dazu kommt, dass auch Bildu, wie die PNV, in Madrid die Sánchez-Regierung seit Jahren stützt. Sie holt aber, auch in sozialen Fragen, kaum etwas dafür heraus. Sogar ehemalige Mitglieder wollen deshalb mangels Alternative lieber ungültig wählen.

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