In Frankfurt hat man zum Ramadan eine öffentliche Festbeleuchtung angeknipst. Manche sehen darin den Untergang des Abendlandes.

Illustration einer nächtlichen Stadt mit leuchtenden Monden und Sternen

Ein sanftes Spiel der Lichter, zur Nacht hin nach dem Fasten Illustration: Jeong Hwa Min

FRANKFURT taz | Sonntagabend in der Frankfurter Fußgängerzone, die letzten Vorbereitungen für die Premiere auf der Großen Bockenheimer Straße werden getroffen. Die die Stadt regierende Koalition aus Grünen, SPD, FDP und Volt will zum Ramadan ein Zeichen setzen. An diesem 10. März soll in Frankfurt erstmals in Deutschland eine öffentliche Festbeleuchtung zum islamischen Fastenmonat Ramadan erstrahlen.

Im Juni hatte die Stadtverordnetenversammlung dafür 100.000 Euro bewilligt. Seit ein paar Tagen hängt, noch unbeleuchtet, der Schriftzug „Happy Ramadan“ über der Straße. AfD, rechte Influencer und Rassisten laufen dagegen Sturm. Unter dem Hashtag „Unterwerfung“ verbreiten sie Hass und Hetze im Netz.

Die Grüne Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg hält dagegen. „Was soll man gegen Licht haben? Für mich ist es ein Zeichen in dunklen Zeiten, gegen Krieg, gegen Rassismus, gegen Antisemitismus und gegen Islamfeindlichkeit“, sagt sie der taz. Das ist ihre Botschaft, bevor die Festbeleuchtung angeschaltet wird. Sie begrüßt Vertreter der christlichen Kirchen, der jüdischen Gemeinde, viele Ratsmitglieder und Mitglieder der 40 Moscheegemeinden der Stadt.

Auch Nadim, 39, und seine beiden Töchter verfolgen die Premiere. „In Deutschland leben mehrere Millionen Moslems“, sagt Nadim, der als Ingenieur arbeitet. „Ich finde es cool, wenn sie hier wie alle anderen Religionen feiern, dass sie das Gefühl haben, willkommen zu sein“, sagt er. Er selbst hat Abstand zu seinem Kinderglauben in Syrien. „Es war schwer zu fasten, wenn es im Ramadan so heiß war“, sagt er. Tochter Talja will es trotzdem ausprobieren, „weil Fasten ja gesund sein soll und ich gerne neue Erfahrungen mache“, sagt die 10-Jährige.

„Der Islam gehört nicht zu Deutschland, dem Land Martin Luthers!“ steht auf einem Pappschild, das ein älterer Mann hochhält. Der Mann schaut stur geradeaus. „Gegen Islam und für Glaubensfreiheit“ ist seine Botschaft. „Wie soll das zusammengehen?“, fragt ihn Mohammed, 13, Frankfurter und Eintracht-Fan. Doch der Mann mit dem Schild lässt sich nicht auf Gespräche ein.

„Danke Frankfurt, Stop Genocide in Gaza!“, fordern zwei junge Frauen mit Kopftüchern. In den Reden ist vom Zeichen des Friedens die Rede, das von den Lichtern in Frankfurt ausgehen möge. Was das für die Menschen in Israel und Palästina heißen soll, bleibt offen.

Merzak Hayat ist mit den „Flower Kids“ nach Frankfurt gekommen. Sie ist Vorsitzende des Vereins „Blühende Integration“. Die Vorschulkinder aus Steinbach am Taunus singen ein Lied zum Ramadan. Die Kids sind gut drauf. Sie wollen feiern, den Beginn des Ramadans und die Lichter, mit der die Mehrheitsgesellschaft das islamische Fest zur Kenntnis nimmt.

Neben der Bürgermeisterin spricht ihre Parteifreundin, die Vorsteherin der Stadtverordnetenversammlung Hilime Arslaner. „Frankfurt ist ein guter Haufen“, sagt sie, „200 Sprachen und 180 Herkunftsländer.“ Der fünftgrößten Stadt in Deutschland bescheinigt sie eine Vorreiterrolle bei der Integration. Oberbürgermeister Mike Josef, die Bürgermeisterin und sie selbst: „Wir sind alle nicht hier geboren, wir gehören hierher und haben unsere Plätze erkämpft“, sagt sie. „Weltweit“ hätten die Frankfurter Friedenslichter zum Ramadan „Wellen geschlagen“, stellt sie fest und fügt fast trotzig hinzu: „Die Unruhe und die Aufregung, die das ausgelöst hat, zeigt, dass wir alles richtig gemacht haben.“

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Neben den Rechtspopulisten hatten auch einzelne Stadtverordnete der CDU bemängelt, dass die Beleuchtung mit Steuergeldern finanziert würde, dass es für den Lichterschmuck zu christlichen und jüdischen Festen nur Zuschüsse gebe. Die AfD sieht gar den Untergang des Abendlandes. „Anders als in den naiv formulierten offiziellen Stellungnahmen der Grünen“ seien die Lichter nicht Zeichen für Frieden und Miteinander, sondern eine Geste der Unterwerfung unter den Islam, teilt die Partei mit.

Es wird einfach gern gefeiert

Am Sonntag wäre das Schimmern des Neumonds in Frankfurt um 18.13 Uhr zu sehen gewesen, hätten nicht Wolken den Himmel bedeckt. Wegen der Reden beginnt der Countdown mit Verspätung. Als die Beleuchtung schließlich über den Köpfen erstrahlt, brandet Beifall auf.

„Hoffentlich passiert nichts, hoffentlich kommt keiner und schießt!“, hatte Nadim auf dem Weg in die Stadt gesagt, weniger besorgt, eher heiter. „Schade, dass sie das nicht akzeptieren können“, kommentiert er die feindlichen Reaktionen. Er lebt gerne mit seiner Familie in Frankfurt. „Wir feiern Ramadan und auch Weihnachten und Neujahr, weil wir gerne feiern“, sagt er und spendiert den beiden Töchtern je eine Eistüte.



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