Die Seele ins Gleichgewicht bringen: Selbstfürsorge ist en vogue – aber zu viel davon kann uns schaden

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    In der Pflanze steckt keine Gentechnik

    Aber keine Sorge:
    Gentechnish verändert

    sind die

Mittwoch, 06.03.2024, 09:29

Selbstfürsorge ist en vogue, doch jüngste Erkenntnisse aus der Psychologie zeigen: Ein Übermaß an Selbstzentriertheit könnte unser seelisches Gleichgewicht beeinträchtigen. Psychologe Niko Kohls sagt, wann Selbstfürsorge gut ist und was uns sonst noch hilft, zufrieden zu werden.



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Selbstfürsorge – warum braucht es das?

In unserer hektischen, vernetzten und leider auch krisengebeutelten Welt verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben, persönlichen und globalen Problemen zunehmend und viele Leute fühlen sich erschöpft und überfordert. Selbstfürsorge – die Praxis, aktiv und selbstreflektiert und eigenverantwortlich im Sinne von Self-Empowerment für das eigene Wohlbefinden zu sorgen – ist entscheidend, um Stress abzubauen, die psychische Gesundheit zu erhalten, Lebensqualität und Wohlbefinden zu entwickeln, aber auch Burnout zu vermeiden.

In einer Zeit, in der Überarbeitung und ständige Erreichbarkeit oft als Norm gelten, bietet Selbstfürsorge einen notwendigen Gegenpol. Sie lehrt uns, in vielerlei Hinsicht Grenzen zu setzen, Pausen zu respektieren und achtsam mit unseren physischen, emotionalen und existentiellen Bedürfnissen umzugehen. Indem wir lernen uns selbst wie einen guten Freund oder Freundin zu behandeln, d.h. ehrlich, fürsorglich und gewissenhaft, aber auch kritisch mit uns selbst umgehen, können wir nicht nur unser eigenes Wohlbefinden und Lebensqualität verbessern, sondern auch unsere Beziehungsqualität, Bedeutsamkeit, Leistungsfähigkeit und Kreativität steigern.

Eine angemessene Form von Selbstfürsorge ist somit kein Luxus oder narzisstische Nabelschau, sondern eine persönliche Notwendigkeit, um in einer überfordernden Welt das Bestes geben zu können und dabei in der Balance zu bleiben.

Über den Autor

Niko Kohls, seit 2013 Professor für Gesundheitsförderung an der Hochschule Coburg, widmet sich der Erforschung von Selbstregulation, Resilienz, Stressbewältigung und Achtsamkeit. Sein Engagement für achtsamkeitsbasiertes Denken und Handeln in Bildung, Wirtschaft und Kultur hat ihn zu einem geschätzten Autor, Redner und Berater gemacht. 2019 wurde er in die Europäische Akademie der Wissenschaften und Künste aufgenommen, 2021 in den Beirat der Gesellschaft für Prävention e.V. gewählt. Mehr Informationen auf: www.niko-kohls.de

 

Wie kann Selbstwertschätzung im Alltag gefördert werden?

Eine universelle Strategie für Selbstfürsorge existiert sicherlich nicht, da jeder Mensch mit seinen individuellen Bedürfnissen, Werten, Einstellungen und Zielen einzigartig ist. Es ist vielmehr entscheidend, seinen persönlichen Weg zur Selbstfürsorge zu entdecken und diesen auch im Verhalten zu manifestieren. Voraussetzung dafür ist die Fähigkeit, empathisch und emotional auf sich selbst einzugehen, sich selbst Mitgefühl, Güte und Verständnis zu schenken – besonders in Momenten des Scheiterns oder Leids – ähnlich wie man es für einen guten Freund tun würde.

Kristin Neff, eine führende US-Psychologin, prägte den Begriff „Self-Compassion“, eine Haltung gekennzeichnet durch Selbstfreundlichkeit, das Erkennen geteilter menschlicher Erfahrungen und eine achtsame Begegnung mit eigenen schmerzvollen Emotionen.

Wenn Ihnen dieser Gedanke zu abstrakt erscheint, überlegen Sie einfach mal für sich: Behandeln Sie sich mit derselben Aufmerksamkeit und Wertschätzung, die Sie Ihren Liebsten entgegenbringen, oder missachten Sie häufig Ihre eigenen Grenzen, die Sie bei anderen jedoch durchaus  respektieren und wahren würden? Tun Sie deswegen mitunter Dinge, die Ihnen nicht gut tun und die Sie überfordern?

Wenn die Antwort ja lautet, könnte es daran liegen, dass Sie zu wenig auf sich selbst achten. Das Problem haben übrigens viele Menschen, die häufig mit ihrer Wahrnehmung auf das „Außen“ fokussiert sind und eine Distanz zu ihrem Innenleben aufgebaut haben – wenn überhaupt gehen Sie dann hauptsächlich rational und wenig emotional mit sich selbst um.

Wie kann jeder Selbstfürsorge in einem hektischen Alltag integrieren?

Die Antwort ist eigentlich ganz leicht zu finden, aber deutlich schwieriger umzusetzen: Zeit für sich selbst und den Umgang mit sich selbst – ohne Ablenkungen – zu nehmen, ist entscheidend für das psychische und physische Wohlbefinden. Dies ermöglicht es uns, Stress abzubauen, unsere Gedanken zu ordnen und unsere Batterien wieder aufzuladen.

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In einer Welt, die ständig von äußeren Anforderungen und digitalen Ablenkungen geprägt ist, bietet sie einen dringend benötigten Raum für Ruhe und Selbstreflexion. Indem wir uns bewusst Zeit nehmen, um auf unsere eigenen Bedürfnisse und Gefühle zu achten und diese zu reflektieren, stärken wir unsere Resilienz gegenüber Stress und können uns so wieder in eine Balance bringen.

Es hilft nicht nur, Frustration und Burnout vorzubeugen, sondern fördert auch unsere Beziehungen zu anderen Menschen, da wir ausgeglichener, authentischer und präsenter sein können. Darüber hinaus ermöglicht es uns, unsere eigenen Ziele und Wünsche klarer zu erkennen und diese auch konsequent zu verfolgen.

Kurz gesagt, Zeit für sich selbst ist keine Selbstverwöhnung, sondern eine notwendige Voraussetzung für ein gesundes und erfülltes Leben. Die Zeit für Selbstfürsorge sollte sich jeder nehmen, sonst bleibt für ein gesundes und zufriedenes, ausgefülltes Leben schnell keine Zeit mehr.

Können Sie Beispiele für erfolgreiche Selbstfürsorge-Routinen geben?

Um Selbstfürsorge effektiv in den hektischen Alltag zu integrieren und das Wohlbefinden zu steigern, können Sie diese sieben Kernpunkte berücksichtigen:

  1. Grenzen setzen: Erlernen Sie das Nein-Sagen, um Überarbeitung und Stress zu vermeiden, indem Sie Ihre eigenen Grenzen respektieren: Nein ist ein ganzer Satz!
  2. Aufgaben priorisieren: Sortieren Sie Ihre Aufgaben nach Wichtigkeit, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
  3. Achtsame Pausen einplanen: Integrieren Sie bewusst kurze Erholungspausen in Ihren Tag, um durchzuatmen, zu reflektieren und sich zu entspannen.
  4. Pflegen Sie Beziehungen und Hobbys: Widmen Sie sich Beziehungen und Aktivitäten, die Ihnen Freude bereiten und bei denen Sie abschalten können. Ob Lesen, Malen, Musik oder ein gutes und ehrliches Gespräch – es ist wichtig, Zeit für Dinge zu finden, die Sie gerne tun.
  5. Bewegung und Sport integrieren: Bauen Sie regelmäßige leichte bis moderate körperliche Aktivität, wie Spaziergänge oder Yoga, in Ihren Alltag ein, um Stress abzubauen. Zwei Stunden Sport pro Woche sollten es schon sein.
  6. Gesunde Ernährung: Fördern Sie Ihr Wohlbefinden durch eine ausgewogene Ernährung mit frischen und nahrhaften Lebensmitteln.
  7. Ausreichend schlafen: Sorgen Sie für genügend Schlaf und eine gute Schlafhygiene zur Erholung von Körper und Geist.

Weitere Punkte habe ich in meinem aktuellen Buch „Mehr Lebensfreude durch Achtsamkeit und Resilienz: Gelassener und stärker durch die richtige Balance“ beschrieben.

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Welche Auswirkungen hat die Selbstwertschätzung auf zwischenmenschliche Beziehungen?

Selbstwertschätzung spielt eine zentrale Rolle in zwischenmenschlichen Beziehungen. Sie beeinflusst, wie wir mit anderen interagieren und wie wir von ihnen wahrgenommen werden. Ein gesundes und angemessenes Maß an Selbstwertschätzung fördert positive Interaktionen, da es zu mehr Offenheit, Ehrlichkeit und Empathie führt.

Personen mit hoher Selbstwertschätzung neigen dazu, konstruktive Kritik besser anzunehmen und Konflikte ehrlicher und überzeugender zu adressieren, und sie können deswegen auch mal herzhaft über sich selbst lachen. Sie setzen gesunde Grenzen und können so respektvolle Beziehungen aufbauen, aber auch die Bedürfnisse anderer Menschen beachten und deren Werte respektieren.

Zudem strahlen sie häufig eine positive Grundausstrahlung aus, die anziehend wirkt und vertrauensvolle Bindungen fördert. Im Gegensatz dazu kann niedrige Selbstwertschätzung zu Unsicherheit, Eifersucht und Abhängigkeiten führen, was Beziehungen belasten kann. Die Selbstwertschätzung ist daher essentiell für die Entfaltung und den Erhalt gesunder, bereichernder und tief verbundener Beziehungen.

Die Basis unserer Lebensstabilität ruht auf unseren Beziehungen zu anderen und zu uns selbst, weshalb widerstandsfähige Menschen beidem große Aufmerksamkeit schenken.

Wie kann man verhindern, dass Selbstfürsorge zur narzisstischen Nabelschau verkommt?

Selbstfürsorge sollte immer ein Gleichgewicht zwischen Fürsorge für sich selbst und Aufmerksamkeit und Mitgefühl für andere Menschen wahren, um nicht in Narzissmus abzugleiten. Empathie, Dankbarkeit und die Fähigkeit zur (Selbst)vergebung spielen dabei eine zentrale Rolle, denn sie helfen, den Fokus von rein persönlichen Bedürfnissen und Wünschen zu erweitern.

Voraussetzung dafür ist, die Grenze zwischen Selbstsorge und Selbstsucht zu erkennen und zu respektieren. Prosoziales Engagement in der Gemeinschaft und regelmäßige kritische Reflexion fördern ein gesundes Maß an Selbstfürsorge. Intentionale Selbstfürsorge zielt immer darauf ab, das eigene Wohlbefinden zu steigern, um so auch anderen besser beistehen zu können.

Im Grunde ist das auch der Schlüssel zur systemischen Resilienz. Ein ausgewogenes Geben und Nehmen ist essentiell, um Beziehungen zu pflegen und Egozentrik zu vermeiden. So kann Selbstfürsorge positiv zum eigenen und zum Wohlergehen anderer beitragen.

Wie ist der Zusammenhang zwischen Selbstfürsorge und Selbstwertschätzung auf der einen und berechtigen Ansprüchen an sich selbst und Perfektionismus auf der anderen Seite?

Selbstfürsorge und Selbstwertschätzung sind zentral für ein gesundes Selbstbild und fördern die Akzeptanz eigener Kompetenzen, Bedürfnisse und Unvollkommenheiten. Sie helfen dabei, sich positive Ziele zu setzen und sich selbst ehrliche Wertschätzung entgegenzubringen. Berechtigte Ansprüche an sich selbst bedeuten realistische Ziele, die persönliches Wachstum unterstützen, ohne dabei zu überfordern.

Im Gegensatz dazu führt Perfektionismus oft zu unrealistischen Erwartungen und starker Selbstkritik, was das Wohlbefinden und Selbstwertgefühl massiv beeinträchtigen kann. Die Herausforderung liegt darin, hohe, aber gesunde Ansprüche zu stellen, ohne in selbstschädigenden Perfektionismus abzudriften.

Die Balance zwischen Bestreben nach Erfolg und Selbstakzeptanz ist essenziell, wobei Selbstfürsorge einen Weg bietet, sich selbst auch bei Fehlern positiv zu begegnen und ein stabiles Selbstwertgefühl zu bewahren. Entscheidend ist die Art und Weise, wie Menschen intern mit sich selbst kommunizieren, und ob sie auch bei Problemen in der Lage sind, einen wohlwollenden Dialog zu pflegen. Ein Beispiel dafür könnte sein: „Na, du alter Träumer, mal wieder zu spät losgekommen – kennen wir ja jetzt schon! Aber beim nächsten Mal passen wir dann mal wirklich besser auf.”

Was sagt denn die Forschung dazu?

Die psychologische Forschung hat interessante Erkenntnisse darüber geliefert, wie sich unser Wohlbefinden in Abhängigkeit davon verändert, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten. Studien zeigen, dass Menschen dazu neigen, sich schlechter zu fühlen, wenn sie ausschließlich über sich selbst nachdenken. Dies kann zu verstärkter Selbstkritik, Einsamkeit und sogar zu Depressionen und Ängsten führen.

Der Fokus auf das eigene Ich im Sinne von Selbstbesessenheit kann eine übermäßige und deswegen auch dysfunktionale Selbstbeschäftigung fördern, die unser Wohlbefinden negativ beeinflusst. Im Gegensatz dazu hat sich gezeigt, dass das Nachdenken über unsere Beziehungen zu anderen Menschen und zur Welt um uns herum unser Wohlbefinden verbessern kann.

Dies liegt daran, dass soziale Verbindungen, Empathie und das Gefühl der Zugehörigkeit grundlegende menschliche Bedürfnisse sind. Indem wir unsere Aufmerksamkeit auf positive Interaktionen und die Pflege von Beziehungen lenken, können wir ein Gefühl von Sinn und Verbundenheit erleben, das zu höherem Glück und Zufriedenheit beiträgt. Allerdings dürfen wir uns hierbei auch nicht überfordern und müssen lernen, unsere Grenzen bewusst zu setzen.

Dieser Text stammt von einem Expert aus dem FOCUS online EXPERTS Circle. Unsere Experts verfügen über hohes Fachwissen in ihrem Themenbereich und sind nicht Teil der Redaktion. Mehr erfahren.





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