Infolge der Besetzung eines Hofs der Freien Universität Berlin hat die Hochschule ihren Lehrbetrieb teilweise eingestellt. Am Vormittag hatten rund 100 propalästinensische Aktivisten den sogenannten Theaterhof besetzt. Er befindet sich an der Rost- und Silberlaube, einem der Hauptgebäude der Freien Universität. Im Hof hatten die Demonstrantinnen und Demonstranten unter anderem Zelte aufgebaut.

“Diese Form des Protests ist nicht auf Dialog ausgerichtet. Eine Besetzung ist auf dem Gelände der FU Berlin nicht akzeptabel”, sagte Universitätspräsident Günter Ziegler. Man sei bereit zu einem wissenschaftlichen Dialog – “aber nicht auf diese Weise”. Laut Angaben der Universität kam es im Zuge der Besetzung auch zu Sachbeschädigungen. Zudem hätten Aktivisten des Protestcamps im Verlauf des Vormittags versucht, in Räume und Hörsäle der Universität einzudringen, um diese zu besetzen.

Studierende unterstützen antisemitische BDS-Kampagne

Die Universität habe Strafanzeigen erstattet, hieß es in einer Mitteilung. Der Lehrbetrieb in den Gebäuden Rost-, Silber- und Holzlaube wurde demnach eingestellt. Die Bibliotheken in diesen Gebäuden und die Mensa seien für den Rest des Tages geschlossen worden.

Verantwortlich für die Besetzung ist eine Gruppe, die in sozialen Medien als Student Coalition Berlin auftritt. Eigenen Angaben zufolge setzt sie sich aus Studierenden verschiedener Berliner Hochschulen sowie anderen Personen zusammen. 

In einer online veröffentlichten Erklärung listet die Student Coalition ihre Forderungen an die Universität auf. Dazu gehört der Aufruf, den “Genozid” im Gazastreifen “mit allen möglichen Mitteln” zu stoppen. Dieses Ziel soll unter anderem erreicht werden, indem die Bundesregierung unter Druck gesetzt wird, ein Waffenembargo gegen Israel zu verhängen und jegliche militärische, finanzielle und diplomatische Hilfe Deutschlands für Israel einzustellen.

Weiter ruft die Gruppe zum vollständigen akademischen und kulturellen Boykott Israels und zum Stopp jeglicher Kooperationen mit israelischen Universitäten auf. Dabei unterstützt die Gruppe explizit auch die Kampagne BDS (“Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“), die der Deutsche Bundestag im Mai 2019 als antisemitisch verurteilte.

Protest verlagerte sich in Universitätsgebäude

Laut Universitätsleitung forderte die Gruppe während der Besetzung weitere Studierende und Professoren zur Teilnahme an ihren Protesten auf. Dabei habe sie Forderungen aufgestellt, aber jeden Dialog oder Verhandlungen abgelehnt.

Am frühen Nachmittag begann die Berliner Polizei, einzelne Gruppen von Aktivisten aus dem Hof zu führen und vom Gelände zu begleiten. Die FU habe die Polizei gerufen und um Räumung gebeten, sagte eine Sprecherin der Hochschule. Zuvor hatten die Beamten dafür gesorgt, dass keine weiteren Personen zu den Aktivisten gelangen konnten. Die Protestteilnehmer wurden zudem über eine Durchsage der Polizei aufgefordert, die Besetzung zu beenden und das Gelände zu räumen.

Ein Reporter von ZEIT ONLINE beobachtete die Räumung. Demnach habe die Polizei dabei auch Pfefferspray eingesetzt. Der Protest verlagerte sich zudem vom Theaterhof in die Gänge der Universitätsgebäude.

Kai Wegner: “Antisemitismus ist keine politische Meinung”

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner verurteilte die Besetzung. “Wir dürfen auch an den Hochschulen nicht wegschauen, wenn antisemitische Parolen und Judenhass an den Universitäten verbreitet werden”, sagte der CDU-Politiker. Er sei der Universität für ihr Vorgehen sehr dankbar: “Ich finde dieses konsequente Vorgehen völlig richtig.”

“Wir werden alles tun als Berliner Senat, damit jüdische Studierende keine Angst haben, die Hochschulen zu betreten”, sagte Wegner. Eine Situation wie zuletzt in den USA wolle er in Berlin nicht erleben. “Antisemitismus ist keine politische Meinung. Das werden wir an den Hochschulen nicht zulassen.”

Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra von der SPD sagte, die Berliner Universitäten seien sicher. “Die Hochschulen positionieren sich klar gegen Antisemitismus und gehen auch dagegen vor.” Besetzungen wie an der Freien Universität wolle sie nicht dulden. Grundsätzlich sei es zwar legitim, gegen Krieg zu demonstrieren – “aber nicht in Form solcher Protestaktionen wie vor drei Tagen an der HU und heute an der FU, die auf Konfrontation und nicht auf Dialog ausgerichtet sind”, sagte Czyborra der Nachrichtenagentur dpa.

Proteste auch an Humboldt-Universität und in anderen Ländern

Bereits am vergangenen Freitag hatten Aktivisten an der Humboldt-Universität in Berlin protestiert. Rund 150 Menschen waren laut Polizei zu einer nicht angemeldeten Kundgebung zusammengekommen. Die Protestierenden forderten einen Hörsaal als Kundgebungsort, doch die Universitätsleitung kam der Forderung nicht nach. In der Folge leitete die Polizei 37 Ermittlungsverfahren ein wegen möglicher Fälle von Volksverhetzung sowie Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.

Die Proteste in Berlin finden vor dem Hintergrund ähnlicher Aktionen in anderen europäischen Ländern statt. Zudem gibt es seit mehreren Monaten studentisch geprägte Proteste an US-amerikanischen Hochschulen.



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