Der Berliner Autor und Pfleger Frédéric Valin, Jahrgang 1982, ist ein profilierter Kritiker des deutschen Gesundheits- und Pflegesystems. Für manche schon zu profiliert: Krankenhaus- und Heimleitungen verhindern mitunter Lesungen aus seinen ebenso empathisch wie gesellschaftsanalytisch genau formulierten Büchern »Pflegeprotokolle« (erschienen 2021) und »Ein Haus voller Wände« (2022). Valin passt nicht rein ins ewige Schönreden von Sparzwängen, Personalnot und Ausbeutung, die Pflegekräfte und Patienten gleichermaßen zu spüren bekommen – an der Basis im Krankheitskapitalismus.
Nun sollte er einen Preis bekommen: Den »Ehrenpreis des Deutschen Hospiz- und Palliativ-Verbandes in der Kategorie ›Öffentlichkeit‹«, weil er sich in einem Text für die »Taz« im August 2023 gegen eine Liberalisierung der Sterbehilfe in einer neoliberalen Gesellschaft gewandt hatte. Der Preis ist selbstverständlich undotiert, so wie auch das Pflegesystem hierzulande auf dem Prinzip der kostenlosen Arbeit der Angehörigen gründet.
Anfang Dezember wurde Valin über die Auszeichnung informiert. Anfang Januar teilte ihm der Verband mit, dass er den Preis doch nicht bekommen kann – weil er im März 2023 im »nd« diese Passage veröffentlicht hatte: »Ich zog bei einer an Demenz erkrankten Frau ein, um die 80, und kümmerte mich um sie. Wenn wir einkaufen gingen oder zum Arzt, fragte sie, warum sie Maske trüge und so viele andere nicht. Zum Glück ist sie ihr Lebtag Kommunistin gewesen, also sagte ich ihr: ›Weil die Deutschen alle Nazis sind.‹ Das überzeugte sie.«
Diese bitterironische Randbemerkung war zu viel für den Verband: »insbesondere aus hospizlicher Sicht« erscheint sie ihm »diskriminierend«. Tatsächlich kritisierte Valin in seinem »nd«-Text das Survival of the Fittest in der Pandemie: Wer nicht arbeiten und konsumieren kann, der ist für den deutschen Staat uninteressant. Und der Deutsche Hospiz- und Palliativ-Verband sorgt sich um das deutsche Ansehen.
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