In Russland ist an diesem Sonntag der dritte und letzte Tag
der von Manipulationsvorwürfen begleiteten Präsidentenwahl. Wladimir Putin
beherrscht die russische Politik seit fast einem Vierteljahrhundert. Die
Abstimmung soll ihm eine fünfte Amtszeit bis 2030 sichern.

Die Rahmenbedingungen sind nach Einschätzung unabhängiger
Wahlrechtsexperten in Russland und im Ausland weder frei noch fair: Die
Opposition ist ausgeschlossen, die drei zugelassenen Gegenkandidaten gelten als
regierungstreu. Zahlreiche Berichte belegen, dass Druck auf die Bevölkerung ausgeübt
wird, an der Wahl teilzunehmen. Samstagnachmittag meldete die zentrale
Wahlleitung, dass mehr als die Hälfte der etwa 114 Millionen Wahlberechtigten abgestimmt
habe. Aus vielen Regionen wurden noch höhere Prozentzahlen gemeldet, ohne dass
dies überprüfbar war.

Proteste zur Mittagszeit angekündigt

Für Sonntagmittag haben verschiedene oppositionelle Kräfte
dazu aufgerufen, genau um 12 Uhr Ortszeit wählen zu gehen. Die entstehenden
Warteschlangen vor den Wahllokalen sollen demnach einen Eindruck davon geben,
dass viele Menschen mit Putin und seiner Politik nicht einverstanden sind.
Befürchtet wird, dass es dabei zu Festnahmen kommen könnte. Die Behörden
warnten vor einer Teilnahme an der Aktion, in der sie “Anzeichen extremistischer
Aktivitäten” erkennen.

Wie mehrere russische Medien berichteten, bekamen Menschen
in Moskau, deren kritische Haltung den Behörden bekannt ist, auf ihr
Mobiltelefon Warnmeldungen unbekannter Absender. Sie sollten zur Wahl gehen,
“aber ohne Warteschlangen”, hieß es nach Angaben des Portals Meduza in diesen
Mitteilungen.

Verfahren wegen Störaktionen

In den ersten zwei Tagen der Wahl gab es mehrere Fälle, in
denen Menschen aus Protest Farbe in Wahlurnen kippten, um die Stimmzettel darin
ungültig zu machen. Auch mehrere versuchte Brandstiftungen in Wahllokalen
wurden gemeldet. Bis Samstag zählte die oppositionelle Zeitung Nowaja Gaseta
Europa
15 eingeleitete Verfahren.

Russlands Wahlleiterin Ella Pamfilowa sagte, mehr als 210
Wahlzettel seien durch in Wahlurnen geschüttete Flüssigkeiten zerstört worden.
Die Störaktionen seien aus 20 Regionen gemeldet worden. Zudem habe es acht
Brandstiftungen gegeben. Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew bezeichnete die
Täter auf Telegram als “Verräter”, die einem fremden Staat während eines Kriegs
Hilfe leisteten.

Auch besetzte ukrainische Gebiete müssen mitwählen

International wird besonders kritisiert, dass die Scheinwahl
auch in den besetzten ukrainischen Gebieten abgehalten wird. Russland hat diese
Gebiete völkerrechtswidrig annektiert. Im ostukrainischen Gebiet Donezk
behauptete die Wahlbehörde, dass die Beteiligung bis Samstagabend bereits bei
86,75 Prozent gelegen habe. Die russische Opposition, darunter Julia Nawalnaja,
Witwe des in Haft gestorbenen Kremlgegners Alexej Nawalny, fordert das Ausland
auf, die Wiederwahl Putins nicht anzuerkennen.

Manipulationen des Ergebnisses befürchtet die unabhängige
Wahlbeobachtungsorganisation Golos vor allem bei der Online-Abstimmung und bei
den Wahlautomaten. Aus Krasnodar im Süden Russlands wurde aber auch ein Fall
bekannt, bei dem ein Mitglied einer Wahlkommission zahlreiche ausgefüllte
Stimmzettel in die Urne warf.

Abstimmung von Russen in Deutschland

In Deutschland lebende Russen können an diesem Sonntag am
russischen Generalkonsulat in Bad Godesberg und in der russischen Botschaft in
Berlin von 8 bis 20 Uhr ihre Stimme abgeben. Das Generalkonsulat rechnet mit
großem Andrang. In der Nähe des Generalkonsulats sind laut Polizei zwei
Demonstrationen angemeldet. Zu einer Standkundgebung unter dem Motto “Mittags
gegen Putin” erwarten die Veranstalter rund 300 Personen. Zu einer
prorussischen Kundgebung sind rund 50 Teilnehmende angekündigt.

Die Wahlen finden in Russland verteilt über elf Zeitzonen
statt. Als letztes schließen am Sonntagabend um 19 Uhr MEZ die Wahllokale in
der Ostsee-Exklave Kaliningrad. Danach sollen die angeblichen Resultate von
Nachwahlbefragungen sowie erste Auszählungsergebnisse veröffentlicht werden.
Die Gesamtauszählung läuft meist bis in den Montagvormittag. Ein offizielles
Endergebnis soll am 28. März feststehen.



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