BRÜSSEL/WARSCHAU. Die EU-Kommission hat die Freigabe von rund 137 Milliarden Euro von den bislang blockierten EU-Fördermitteln an Polen genehmigt. Demnach habe die neue bürgerliche Regierung von Donald Tusk „einen ehrgeizigen Aktionsplan zur Rechtsstaatlichkeit“ vorgelegt und die richterliche Unabhängigkeit gestärkt. „Wir sind beeindruckt von den Bemühungen Polens, um die Rechtsstaatlichkeit als Rückgrat der Gesellschaft wiederherzustellen“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) während einer Pressekonferenz am Donnerstag.

Insbesondere die Rücknahme der von der nationalkonservativen Vorgängerregierung der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) durchgesetzten Justizreformen sei ein Grund für die Freigabe der Milliardengelder, von denen etwa ein Viertel vom deutschen Steuerzahler aufgebracht wird. Konkret lobte Brüssel die Ablösung der Disziplinarkammer am Obersten Gerichtshof. Das Gremium durfte landesweit Richter sanktionieren, wenn sie die Entscheidungskompetenz oder Legalität eines anderen Richters, einer Kammer oder eines Gerichts in Frage stellten. Zudem erwähnte Brüssel einen Erlaß des Justizministeriums, der den unter der PiS ernannten Richtern die Hoheit über die Disziplinarverfahren gegen Kollegen genommen hatte.

Polens Opposition wittert Doppelmoral

Politiker der PiS warfen der Kommission vor, der Zeitpunkt der Freigabe der Gelder sei politisch motiviert. „Die Entscheidung stützt sich auf das Gesetz, das 2022 unter unserer Regierung verabschiedet wurde“, merkte die Parlamentsabgeordnete Anna Kwiecień im Gespräch mit der Wochenzeitung Do Rzeczy an. Die Entscheidungen der Regierung von Donald Tusk hätten hingegen „ein Schlamassel“ verursacht. In den vergangenen Wochen hatten die Verhaftungen namhafter PiS-Politiker sowie die Übernahme der staatlichen Medienanstalten auch unter Liberalen und Linken für deutliche Kritik gesorgt.

Von den 137 Milliarden Euro entfallen rund 59,8 Milliarden auf das Corona-Wiederaufbauprogramm. Der Freigabe müssen alle Mitgliedsstaaten zustimmen. Den Rest stellen Zuschüsse für strukturschwache Länder aus dem EU-Budget 2021–2027 dar. Laut dem Radiosender RMF FM sollen die ersten 600 Millionen Euro bereits in den kommenden Wochen nach Warschau fließen. (kuk)



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