Ausgerechnet beim rechtsextremen
Compact-Magazin
tritt Petr Bystron also zum ersten Mal
öffentlich auf, seit der Verdacht im Raum steht, er könnte
Zahlungen von kremlnahen Geldgebern erhalten haben. Ausgerechnet bei
einer Veranstaltung unter dem Titel Frieden mit Russland. An
einem Samstag im April läuft ein Mann mit einem Emblem der
rechtsextremen Gruppe Aryan Brotherhood auf dem Pullover durch
das Publikum im thüringischen Sonneberg. Frauen tanzen auf der
Bühne neben russischen Flaggen zu russischem Pop. Als Bystron
spricht, scherzt er: Warum er hier wohl sprechen dürfe, wo es um
Russland gehe? “Ich bin da kein Experte.”

Petr Bystron will im Juni auf
Listenplatz zwei der AfD ins Europaparlament einziehen. Außenpolitik
ist sein Geschäft, er gilt als Netzwerker der europäischen Rechten.
Seit Ende März steht er im Mittelpunkt einer Affäre. Bystron soll
aus dem Umfeld von Voice of Europe Geld entgegengenommen
haben. Die Website wird offenbar aus Russland gesteuert. Bystron stritt heftig ab, Geld angenommen zu haben. Doch mittlerweile wurden mehreren
tschechischen Abgeordneten Mitschnitte abgehörter Gespräche
vorgespielt. Darauf soll zu hören sein, wie dem AfD-Politiker
Bargeld übergeben werde, ergaben Recherchen der ZEIT vergangene
Woche. Die Münchener Staatsanwaltschaft hat
Vorermittlungen gegen Bystron aufgenommen.

Bystron sprach zuletzt von einer Verleumdungskampagne. Die
Anschuldigungen sollten nur weiter die Opposition in Europa zum
Schweigen bringen. Als ihn Anfang April ein Reporter der ZEIT darauf ansprach, verglich er die Vorwürfe mit
der Verfolgung von Dissidenten im Kommunismus. Davor
sei er selbst 1988 geflohen. Die Geschichte seiner Verfolgung ist für
Bystron zentral. Er wiederholt sie immer wieder. “Ich
habe damals einen Boyscoutsverein gegründet. Ich
wurde als 14-, 15-Jähriger für meinen Kampf gegen den Kommunismus
verfolgt”, sagte er beispielsweise im März 2023 im Bundestag.
“Meine Eltern sind geflüchtet, weil ich verfolgt wurde.”

Recherchen der tschechischen
Rechercheplattform HlídacíPes.org und der ZEIT legen jedoch nahe,
dass Bystrons Erzählung geschönt ist. Ein Reporterteam hat mit
Bystron, früheren Weggefährten und Familienangehörigen gesprochen
sowie Dokumente und Archivmaterial geprüft. Die Ergebnisse dieser
Nachforschungen lassen daran zweifeln, dass es sich bei dem
jugendlichen Bystron tatsächlich um einen verfolgten Dissidenten
handelte. Vielmehr entsteht das Bild eines Politikers, der es mit der
Wahrheit nicht so genau nimmt.

Petr Bystron wurde 1972 in der
Universitätsstadt Olomouc in der Tschechoslowakei geboren, wenige
Jahre nach der Niederschlagung des Prager Frühlings. Seine Eltern,
der Vater Arzt, die Mutter Zahnärztin, trennten sich früh. Der
junge Bystron zog mehrmals um. Für kurze Zeit lebte er Ende der Siebzigerjahre in der DDR in Thüringen, direkt an der innerdeutschen Grenze. Als sich seine Mutter auch von ihrem zweiten Mann, einem
Ostdeutschen, trennte, siedelten Mutter und Sohn nach Český Těšín
um, einer Kleinstadt im Osten des tschechischen Landesteils. Von dort
brachen sie etwa acht Jahre später nach Westdeutschland auf.

Mitschüler aus Český Těšín
erinnern sich an Bystron als reifen und intelligenten Jungen. “Er hatte
eine große Auffassungsgabe und konnte reden”, sagte Otmar
Humplík, ein Klassenkamerad. Andere erinnern sich daran, dass er
sich für Michail Gorbatschows Buch über die Perestroika
interessiert habe. Und er soll gesagt haben, wie schlecht er das
kommunistische Regime finde.

Doch war der jugendliche Bystron
tatsächlich ein Dissident?

Bystron selbst ist davon überzeugt und
verweist darauf, was geschah, als er damals einen Boyscoutverein
aufmachte. “Wir haben eine Pfadfindergruppe gegründet”, erzählte
Bystron Anfang April der ZEIT, er sei der Vorsitzende gewesen. Seine
Schulfreunde und er waren etwa 14 Jahre alt. “Am Samstag waren wir
in den Bergen, wir legten den Eid ab. Mit gelben Tüchern und grünen
Hemden.” Wenige Tage danach sei die Kreisabteilung der
Kommunistischen Partei informiert gewesen. Es habe Ärger in der
Schule gegeben. Pfadfinder waren zu jener Zeit in der
Tschechoslowakei nicht erlaubt. “Ich bekam einen Eintrag in meine
Beurteilung, dass ich ein negatives Verhältnis zum sozialistischen
Staatssystem habe.”

Es gibt Schwarz-Weiß-Fotos von der
Pfadfinderaktion. Sie zeigen Bystron und drei weitere Jungen mit
Hemden, Tüchern um den Hals und Baretten auf den Köpfen. Bystron
erzählte weiter, diese Fotos habe er später bei seiner
Asylanhörung in Deutschland vorgelegt. Dafür, dass die
Gruppengründung negative Folgen für ihn gehabt haben soll, hat
Bystron jedoch keine solchen Belege.



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