Auf dem Petersberger Klimadialog zeigt sich Aserbaidschan als überzeugter fossiler Staat. Das Problem: Er ist Gastgeber der nächsten Klimakonferenz.

Ilham Alijew, Olaf Scholz und Annalena Baerbock sitzen nebeneinander auf einer Konferenz, im Hintergrund die Flaggen verschiedener Länder

Ilham Alijew (l-r), Aserbaidschans Präsident, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) Foto: Sebastian Gollnow/dpa

BERLIN taz | Es war eine klare Ansage des Präsidenten von Aserbaidschan an die versammelte Klima-Gemeinde: „Wir werden das Recht von Öl- und Gas-Staaten verteidigen, mit diesen Investitionen weiterzumachen“, sagte Ilham Alijew, Präsident des nächsten COP-Gastgebers, am Freitag auf dem „Petersberger Klimadialog“ in Berlin.

Er machte klar, dass die Produzenten von fossilen Brennstoffen zwar „in der ersten Reihe stehen sollten bei der Beschäftigung mit dem Klimawandel“. Aber: „Es ist nicht unser Fehler, dass wir Öl und Gas haben. Das ist ein Geschenk Gottes und wir sollten daran gemessen werden, wie wir es für unsere Entwicklung einsetzen.“

Es war der erste große Auftritt von Aserbaidschan auf der großen Klimabühne. Im November hatte die COP28 in Dubai überraschend dafür gestimmt, die nächste Konferenz im November in Baku abzuhalten. Und der Gas-Exporteur präsentierte sich mit dem künftigen COP29-Präsidenten, Umweltminister Mukhtar Babajew, und als Mittler zwischen der EU und den Entwicklungsländern.

Alijews Argument: Das Land werde bis 2030 insgesamt 5 Gigawatt Solar- und Windenergie zubauen lassen – und das Gas, das es selbst deshalb nicht für Stromerzeugung verbrenne, in die EU verkaufen: „Bis 2027 werden unsere Gasexporte nach Europa auf 20 Milliarden Kubikmeter ansteigen.“

Natürlich geht’s um Geld

Wie erfolgreich Aserbaidschan mit dieser Strategie bei der COP29 als ehrlicher Makler auftreten kann, wird sich zeigen. Dann werden vor allem Finanzfragen im Mittelpunkt stehen: Die UN muss ein neues Finanzziel für Klimahilfen aus dem Norden an den Süden beschließen, das deutlich über die jetzt versprochenen 100 Milliarden Dollar jährlich hinausgeht.

Deutschlands Anteil an den Klimafinanzen – jährlich 6 Milliarden Euro – stellte Bundeskanzler Olaf Scholz bei seinem traditionellen Auftritt beim „Petersberg“ trotz der anstehenden Sparrunden in den Ministerien nicht infrage: „Die Industrieländer stehen zu ihrer Verantwortung, Gelder bereitzustellen. Auch auf Deutschland ist dabei Verlass“, sagte der Kanzler. Für die Entwicklungsorganisation Germanwatch eine verpasste Chance: Scholz hätte klar das Geld zusichern können und die Ideen für neue internationale Klima-Abgaben unterstützen sollen, hieß es.

Scholz sagte aber auch: „Wir brauchen eine neue Herangehensweise an die Finanzierung des Klimaschutzes weltweit“. Klar ist nämlich: Für CO2-Reduktion, Anpassung und Beseitigung von Klimaschäden ist viel mehr Kapital nötig, als aus den leeren Kassen der Industriestaaten kommen kann.

Den Bedarf taxieren Experten für 2025 auf etwa eine Billion Dollar, das Zehnfache des aktuellen Versprechens. Mit dem Geld sollen die Effekte der Klimakrise abgefedert werden – und vor allem der grüne Umbau der Volkswirtschaften über grünere Technik, Industrie und Stromversorgung in den Klimaplänen der UN-Staaten (NDCs) vorankommen.

Diese müssen im nächsten Jahr vorliegen und sollen die verschiedenen Pfade der Länder zur Klimaneutralität beschreiben. Dafür braucht es private Investitionen, aber auch neue Geldquellen: Abgaben etwa auf den Flugverkehr, die Schifffahrt, Finanztransaktionen, die Produktion von Kohle, Öl und Gas oder auf extremen Reichtum sind im Gespräch. Entwicklungsministerin Svenja Schulze hatte zum Beginn der Konferenz eine Forderung aus Brasilien und Südafrika nach einer „Milliardärs-Steuer“ unterstützt.

Wer bekommt Hilfe?

Bei den offiziellen und inoffiziellen Gesprächen der VertreterInnen von etwa 40 Staaten, die den „Petersberg“ ausmachen, wurde auch deutlich: Es geht nicht nur um die Frage, wo das Geld herkommen soll – sondern auch, wo es hinfließt. Außenministerin Annalena Baerbock schlug deshalb eine „Allianz der Veränderer“ vor.

Es solle mehr Geld für die bestehenden „NDC-Partnerschaften“ geben, mit der Deutschland seit Jahren ärmeren Ländern bei der Aufstellung von deren Klimaplänen hilft. Damit sollen die Länder die NDC nicht nur als Klimapläne vorlegen, sondern sie zu umfassenden Investmentplanungen machen: Wo sollen Erneuerbare oder Stromnetze entstehen, welche Industrien umgebaut, wie der Verkehr dekarbonisiert werden? Wie viel Geld wird dafür gebraucht und welche Rahmenbedingungen können die Länder oder die internationalen Geber verbessern?

Klimafinanzierung, so hieß es, müsse aus dem Silo der Klimapolitik heraus und bei der Finanzpolitik landen. „Ich bin auf diesem Treffen die einzige Finanzministerin“, sagte die Ministerin Sri Mulyani Indrawati aus Indonesien. Das müsse sich ändern.



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