Die Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), hält die Empfehlungen einer Expertenkommission zur Reform des sogenannten Abtreibungsparagrafen 218 für nicht umsetzbar. Der unter der damaligen großen Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beschlossene Kompromiss sei eine “Lösung, polarisierte gesellschaftliche Konflikte ums Abtreibungsrecht wie in Polen oder den USA zu befrieden”, sagte Winkelmeier-Becker dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). “Die weitergehenden Vorschläge der Kommission stehen in offenem Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes”, fügte sie hinzu. “Den gesetzgeberischen Spielraum, den die Kommission behauptet, sehe ich nicht.”

Der geltende Kompromiss werde gesamtgesellschaftlich breit akzeptiert, sagte Winkelmeier-Becker. Auch halte er den verfassungsrechtlichen Vorgaben stand: “Die Schwangere in der Konfliktsituation entscheidet eigenverantwortlich. Nach der Pflichtberatung, die für das Schutzkonzept für das Kind unverzichtbar ist, und drei Tagen Wartezeit bleibt sie straffrei.” Das Lebensrecht des Kindes komme zumindest zur Sprache, sagte die CDU-Politikerin.

Die Empfehlungen der Kommission zur Prävention ungewollter Schwangerschaften begrüßte Winkelmeier-Becker dagegen: “Ich unterstütze ausdrücklich den Vorschlag der Kommission, mehr Gewicht auf Prävention von ungewollten Schwangerschaften zu legen und insbesondere Verhütungsmittel kostenfrei anzubieten”, sagte sie.

Rechtswidrig, aber straffrei

Die von der Ampel-Koalition eingesetzte Expertenkommission hatte unter anderem eine
Liberalisierung der derzeitigen Gesetzgebung zu Schwangerschaftsabbrüchen vorgeschlagen. Den Empfehlungen zufolge sollten Schwangerschaftsabbrüche künftig nicht mehr
grundsätzlich strafbar sein. “In der Frühphase der Schwangerschaft (…)
sollte der Gesetzgeber den Schwangerschaftsabbruch mit Einwilligung der
Frau erlauben”, schreibt die
Kommission. Eine grundsätzliche Rechtswidrigkeit des Abbruchs
in der Frühphase der Schwangerschaft sei nicht haltbar, sagte die
Juristin Liane Wörner, die die entsprechende Arbeitsgruppe innerhalb der
Kommission leitete. Die aktuellen Regelungen im Strafgesetzbuch hielten
einer “verfassungsrechtlichen, völkerrechtlichen und europarechtlichen
Prüfung” nicht stand.

Ein Schwangerschaftsabbruch ist derzeit in Deutschland grundsätzlich illegal. Er bleibt jedoch straffrei, wenn er in den ersten zwölf
Wochen vorgenommen wird. Zudem muss die schwangere Frau sich zuvor
beraten lassen; zwischen Beratung und Abbruch müssen mindestens drei
Tage liegen. Ausdrücklich nicht rechtswidrig ist ein
Schwangerschaftsabbruch nach einer Vergewaltigung sowie bei Gefahren für
das Leben, die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren.

Vertreter der Ampelkoalition haben sich bislang zurückhaltend zu den Empfehlungen der Expertinnen und Experten geäußert. “Inwieweit es möglich wäre, den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuchs zu regeln, ist eine äußert anspruchsvolle rechtliche, aber vor allem auch ethisch äußerst sensible und bedeutsame Frage”, sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP).   

Pro Familia für Abschaffung von Pflichtberatungen

Unter anderem die Jugendorganisationen von Grünen, FDP und SPD hatten zuletzt die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen bis zur zwölften Woche gefordert. Auch die Beratungsorganisation Pro Familia rief die Bundesregierung dazu auf, die Empfehlungen der Kommission schnell umzusetzen. “Die Regierung hat diese Kommission eingesetzt, weil das geltende Gesetz problematische Konsequenzen hat. Jetzt muss sie sich ein Herz fassen und notwendige Gesetzesänderungen noch in dieser Wahlperiode umsetzen”, sagte die Pro-Familia-Vorsitzende Monika Börding dem RND.

 Im Vordergrund der Reform müsse das Vertrauen in Schwangere stehen, forderte Börding. “Die Regierung muss deshalb den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafrechts regeln und die verpflichtende Beratung vor dem Schwangerschaftsabbruch sowie die Wartezeit abschaffen”, sagte Börding. “Sie sollte zudem den von der Kommission benannten Spielraum für eine Verlängerung der Frist nutzen.”



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