Papst Franziskus hat mit seiner Forderung nach Verhandlungen im Ukraine-Krieg scharfe Kritik hervorgerufen. Besonders die Einseitigkeit seiner Aussagen stieß auf wenig Verständnis.

Strack-Zimmermann schämt sich für Papst-Aussagen, CDU-Mann nennt Vorschlag „unglaublich“

„Wer von der Ukraine verlangt, sich einfach zu ergeben, gibt dem Aggressor, was er sich widerrechtlich geholt hat und akzeptiert damit die Auslöschung der Ukraine“, sagte unter anderem Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). 

Auf Distanz ging auch der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter: „Unglaublich, das Oberhaupt der katholischen Kirche stellt sich auf die Seite des Aggressors“, schrieb er im Internetdienst X. Der Papst liefere damit Russlands Präsident Wladimir Putin eine „Blaupause für weiteres Vorgehen“.

Auch FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann widerspricht dem Appell scharf. „Bevor die ukrainischen Opfer die weiße Flagge hissen, sollte der Papst laut und unüberhörbar die brutalen russischen Täter auffordern, ihre Piraten-Fahne – das Symbol für den Tod und den Satan – einzuholen“, sagte die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses am Sonntag den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

„Und warum in Gottes Namen verurteilt er nicht die verbale mörderische Hetze von Kyrill I., Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche und Ex-KGB-Agent, dem ukrainischen Volk gegenüber“, fragte Strack-Zimmermann weiter. Sie fügte hinzu: „Ich schäme mich als Katholikin, dass er das unterlässt.“

Ukraine kritisiert Forderungen scharf – auch westliche Politiker widersprechen

In der Ukraine wurde der Begriff der „weißen Fahne“, den der Papst gebrauchte, als Aufforderung zur Kapitulation verstanden und löste erboste Reaktionen aus. „Es erscheint merkwürdig, dass der Papst nicht zur Verteidigung der Ukraine aufruft, nicht Russland als Aggressor verurteilt, der Zehntausende Menschen tötet“, schrieb der frühere Abgeordnete und Vizeinnenminister Anton Heraschtschenko im Netzwerk X (früher Twitter). 

Der ukrainische Botschafter beim Heiligen Stuhl, Andrij Jurasch, fragte am Wochenende auf der Online-Plattform X, ob im Zweiten Weltkrieg jemand mit Hitler ernsthaft über Frieden gesprochen und die weiße Fahne geschwenkt habe, um ihn zu befrieden. Mit Blick auf Moskau und den russischen Präsidenten Wladimir Putin fügte Jurasch hinzu, die Lektion aus der Geschichte sei: „Wenn wir den Krieg beenden wollen, müssen wir alles tun, um den Drachen zu töten!“

Auch Polens Außenminister Radoslaw Sikorski kritisiert den Aufruf von Papst Franziskus. „Wie wäre es, wenn man zum Ausgleich Putin ermutigt, den Mut zu haben, seine Armee aus der Ukraine abzuziehen? Dann würde sofort Frieden einkehren, ohne dass Verhandlungen nötig wären“, schrieb Sikorski am Sonntag auf der Plattform X (vormals Twitter).

Papst sprach sich für Verhandlungen im Ukraine-Krieg aus

Mit Blick auf den schon mehr als zwei Jahren dauernden Krieg in der Ukraine hatte Papst Franziskus in einem Interview zu Verhandlungen aufgerufen. „Wenn man sieht, dass man besiegt ist, dass es nicht gut läuft, muss man den Mut haben, zu verhandeln“, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche in dem am Wochenende vorab veröffentlichen Interview des Schweizer Fernsehens.

 

Das Gespräch wurde nach Angaben des öffentlich-rechtlichen Senders RSI bereits Anfang Februar geführt. Ohne eine der beiden Konfliktparteien Russland oder Ukraine direkt beim Namen zu nennen, fügte er hinzu: „Schämen Sie sich nicht, zu verhandeln, bevor es noch schlimmer wird.“ An anderer Stelle in dem Interview sagte er: „Verhandlungen sind niemals eine Kapitulation.“

Der Pontifex verwies auf Vermittlungsangebote verschiedener Seiten, beispielsweise der Türkei. Auch der Vatikan selbst versucht praktisch seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf das Nachbarland im Februar 2022 zwischen Moskau und Kiew zu vermitteln – bislang ohne Erfolg.

Franziskus spricht von „Mut der weißen Fahne“, Sprecher weist Kapitulations-Vorwürfe zurück

Vatikan-Sprecher Matteo Bruni versuchte später in einem von „Vatican News“ veröffentlichten Statement, die Aussage des Papstes zu relativieren. Franziskus habe von der „weißen Fahne“ gesprochen, „um ein Einstellen der Feindseligkeiten zu bezeichnen, einen Waffenstillstand, der mit dem Mut zur Verhandlung erreicht wurde“.

Darin wird Franziskus auch nach Forderungen aus der Ukraine nach „Mut zur Kapitulation, zur weißen Fahne“ gefragt, was andere als Legitimation der stärkeren Seite sähen. Darauf antwortet der Papst allgemein: „Das ist eine Frage der Sichtweise. Aber ich denke, dass derjenige stärker ist, der die Situation erkennt, der an das Volk denkt, der den Mut der weißen Fahne hat, zu verhandeln.“

An anderer Stelle geht es in dem Interview auch um eine mögliche Vermittlung des Vatikans im Gaza-Krieg, der seit Oktober vergangenen Jahres dauert. Dazu sagte das Oberhaupt von mehr als 1,4 Milliarden Katholiken, er stehe zur Verfügung: „Ich habe einen Brief an die Juden Israels geschrieben, um über diese Situation nachzudenken. Verhandlungen sind niemals eine Kapitulation. Es ist der Mut, das Land nicht in den Selbstmord zu treiben.“ Er fügt hinzu: „Einen Krieg führt man zu zweit, nicht allein. Die Unverantwortlichen sind die beiden, die ihn führen.“





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