In Umfragen liegen Sozialisten und das rechtskonservative Wahlbündnis gleichauf. Ein Bündnis mit den Ultrarechten schließen Letztere aus – bislang.

Pedro Nuno Santos im Wahlakmpf

Kämpft dafür, dass die Sozialisten unter seiner Führung an der Macht bleiben: Pedro Nuno Santos am 4. März im Norden Portugals Foto: Pedro Nunes/reuters

MADRID taz | Portugal steht vor seltsamen Neuwahlen: Nach dem Rücktritt des bisherigen Ministerpräsidenten António Costa im vergangenen November wählt das Mittelmeerland am Sonntag ein neues Parlament. Costa war im letzten Winter der Korruption beschuldigt worden. Er trat umgehend ab, um „die Würde des Amtes nicht zu beschädigen“.

Wenige Tage darauf stellte sich heraus, dass sein Name nur dank eines Transkriptionsfehlers seitens der Staatsanwaltschaft in den Ermittlungsakten gelandet war. Gemeint war sein Namensvetter Antonio Costa Silva, Wirtschaftsminister. Von den Ermittlungen gegen den Ministerpräsidenten blieb nichts. Doch vom Rücktritt zurücktreten, das geht nicht.

Die Sozialistische Partei (PS), die unter Costa die letzten neun Jahre regierte, schickt mit dem ehemaligen Infrastrukturminister Pedro Nuno Santos nun einen neuen Kandidaten ins Rennen. Der 46-jährige Politiker, der dem linken Parteiflügel zugerechnet wird, will an Costas sozialer Politik anknüpfen: Die Costa-Regierung hat in den letzten Jahren einen Großteil der Sparmaßnahmen aus der Eurokrise zurückgenommen. „Wir sind stolz auf Costa“, erklärte er immer wieder und warnt davor, dass im Falle eines Machtwechsels die Sparpolitik zurückkommen könne.

Santos will ökologischen Umbau der Wirtschaft in Europa

Nuno Santos verspricht „einen neuen Impuls“. Der Politiker, der im Dezember die Urwahlen in der PS mit rund 62 Prozent der Stimmen gewann, kündigt Investitionen an, um die Industrialisierung Portugals voranzutreiben. Der ökologische Umbau der Wirtschaft in ganz Europa sei eine Chance.

Doch seine Sozialisten sind durch den Skandal im Herbst angeschlagen, obwohl nur wenig blieb. Gegen die fünf Beschuldigten aus Regierung und Umfeld wird mittlerweile nur noch wegen „Einflussnahme“ bei Entscheidungen im Bereich Energie- und Bergbau ermittelt. Es geht um Projekte für erneuerbare Energien und E-Mobilität. Nichts deutet darauf hin, dass Geld geflossen ist.

Das konservative Wahlbündnis Alianza Democrática (AD) unter Luis Montenegro will die unerwartete Chance nutzen. Der 51-Jährige war Fraktionschef seiner Partei, als die damalige konservative Regierung im Namen der von Brüssel verordneten Austerität in den Jahren 2011 bis 2015 einen nie da gewesenen sozialen Kahlschlag veranstaltete. Nun kandidiert er zum ersten Mal für das Amt des Ministerpräsidenten.

Seit 2022 führt er die konservative Sozialdemokratische Partei Portugals (PSD) an, die gemeinsam mit zwei kleineren Rechtsparteien das Bündnis AD ins Leben rief. Ihr Ziel war, die Sozialisten, die 2022 unter Costa die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament erzielten, zu überrunden. Er selbst stehe für „Stabilität“, wirbt Montenegro, und Nuno Santos sei „ein Radikaler“.

Das ultrarechte Lager hofft auf gutes Abschneiden

Die Umfragen deuten auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Nuno Santos und Montenegro. Beide Parteien liegen bei Umfragen um die 30 Prozent, mit einem kleinen Vorteil für die AD. Egal wie es ausgeht, eine absolute Mehrheit der Parlamentssitze wird es wohl nicht geben. Die Sozialisten wären – sollten sie erneut als stärkste Partei Anspruch auf eine Regierungsbildung erheben können – wie bereits 2015 bis 2022 auf kleinere linke Formationen angewiesen.

Für die AD böte sich ähnlich wie dies im Nachbarland Spanien in Gemeinden und Regionen längst der Fall ist, ein Bündnis mit der Ultrarechten an. Bisher lehnt Montenegro dies ab. Doch die Partei Chega (Genug) aus dem ultrarechten Lager hofft unter der Führung von André Ventura darauf, gut abzuschneiden und entscheidend zu werden: Ventura verließ 2019 die PSD und gründete Chega. 2022 erzielte seine Partei 7,2 Prozent. Jetzt werden die Ultrarechten je nach Umfrage mit bis zu 18 Prozent gehandelt.

Ventura macht unter anderem mit Ausländerfeindlichkeit und Rassismus gegen Roma Stimmung. „Themen, die die Menschen interessieren“, verteidigt er dies. Außerdem greift Chega das Thema Korruption auf. „Portugal braucht eine Reinigung“, steht auf einem der am meisten verklebten Plakate zu lesen. Ventura kündigt immer wieder an, er werde eine rechte Regierung nur dann unterstützen, wenn Chega mit im Kabinett sitze.

Die Frage nach einer Brandmauer bestimmt derzeit die Debatte um die Wahlen. Die Sozialisten warnen vor einer Regierung unter dem Einfluss von Chega. Er sei der Einzige, der dies verhindern könne, so Santos. Gleichzeitig gibt sich der Sozialist großmütig: Im Fall einer Wahlniederlage werde er die AD in Minderheit regieren lassen, kündigte Santos in einem TV-Duell mit Montenegro völlig überraschend an.



Source link www.taz.de