Nach dem Willen des International Football Association Boards wird bald die Blaue Zeitstrafenkarte getestet. Eine gute Idee oder reine Regelungswut?
Keine Frage, sie tragen eine opulente Monstranz der Unfehlbarkeit vor sich her: „Wir sind die unabhängigen Hüter der Spielregeln“, sagt die Ifab über sich und versichert, darüber hinaus für „Transparenz, Moderne, Rechenschaft, Demokratie und Inklusion“ zu stehen. So einer Organisation, International Football Association Boards, kurz Ifab, genannt, muss man doch die unbedingte Verfügungsgewalt über die Rahmenbedingungen des Fußballs zubilligen, oder?
Noch nennen die Regelhüter der Fifa und der vier britischen Verbände ihre jährlichen Meetings nicht Konzil, aber wenn man ihren Verlautbarungen und dem Eigenmarketing Glauben schenkt, dann sind sie wohl nicht mehr weit davon entfernt, in den heiligen Zustand der Infallibilität einzutreten.
Jetzt wollen sie auf ihrer samstäglichen Sitzung in Glasgow eine kleine Fußballrevolution beschließen: Die Blaue Karte soll peu à peu eingeführt werden, erst mal testweise und wohl in unteren Ligen. Die Blaue Karte soll als Zeichen für eine Zeitstrafe und als Zwischenstufe zwischen Gelber und Roter Karte dienen.
Dadurch könnte künftig eine Zwangspause von zehn Minuten bei taktischen Fouls oder Meckereien gegenüber dem Schiedsrichter möglich sein. Zwei Blaue Karten würden demnach (analog zu zwei Gelben Karten) zum Platzverweis führen. Auch die sogenannte Schwedenkarte Blau-Gelb wäre dann möglich, das Gegenstück zum bisherigen Gelb-Rot.
Alles so schön bunt hier
Wenn Blau bald kommt, dann könnte der Schiedsrichter mit seinen Karten so langsam durcheinanderkommen, denn vor einiger Zeit war auch schon mal über die Einführung der Weißen Karte für besonders brave, vorbildliche Fußballer nachgedacht worden. Grün empfehlen wir indes als Belohnungskarte für das Tragen von nachhaltig erzeugten Trikots, und mit dem Braunen Karton könnte passives Spiel geahndet werden: automatische Spielverlängerung um zehn Minuten.
Ach, es gäbe so viele Möglichkeiten im Ifab-Reich, man könnte die Tore größer, den Ball kleiner machen, man könnte nur noch neun Spieler pro Team auflaufen lassen oder das Abseits abschaffen, aber die Ifab muss ja wie der Papst in Rom das Alte bewahren und nur ganz vorsichtig mit einem profanen Anstrich versehen.
Die Blaue Karte stößt natürlich auf Kritik, und in vorderster Front findet man Jürgen Klopp, der sich zurecht fragt, wie man denn nun konkret zwischen einer Gelben und Blauen Karte unterscheiden solle. Das führe zu weiteren Fehlern, prognostiziert er. Und außerdem habe dieses Ifab-Gremium seiner Meinung nach noch nie etwas zustande gebracht: „Ich kann mich nicht an die letzte fantastische Idee dieser Jungs erinnern – wenn sie überhaupt je eine hatten.“
Dieser Einschätzung muss an dieser Stelle entschieden widersprochen werden, denn sie ist häretisch und respektlos. Die Entscheidungen des Ifab sollten ebenso wenig hinterfragt werden wie einst die Verfügungen des Robert Koch Instituts oder regierungsnaher Wissenschaftler. Wer motzt oder dem Schiri sonst wie dumm kommt, muss künftig halt runter. Fertig. Im Stadioneck sollte er über seine moralischen Verfehlungen nachdenken und gegebenenfalls auf einer Tafel 100-mal mit Kreide schreiben: Ich will mich bessern, das kommt bestimmt nicht mehr vor.
Da das Ifab so eine moralisch hochstehende Organisation ist, sollte jede Blaue-Karten-Entscheidung zusätzlich mit Videobeweis abgesichert werden. Nur so wird der Fußball gerechter, transparenter, demokratischer, moderner und inklusiver. Wir freuen uns schon darauf.