Die EU will erstmals Sanktionen gegen radikale israelische Siedler im Westjordanland verhängen. Außenminister der Mitgliedstaaten verständigten sich am Montag bei einem Treffen in Brüssel auf entsprechende Pläne, wie mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur bestätigten. Sie sollen nun in den kommenden Tagen formalisiert werden. Ungarn habe angekündigt, das Vorgehen nicht weiter blockieren zu wollen, hieß es weiter.

Hintergrund der Sanktionspläne sind Gewalttaten extremistischer Siedler gegen Palästinenser – insbesondere auch nach dem Hamas-Massaker in Israel vom 7. Oktober. Die Angriffe werden wie der Siedlungsbau an sich als eines der Hindernisse für Bemühungen um eine langfristige Friedenslösung im Nahost-Konflikt gesehen. Für Deutschland sei es zentral, deutlich zu machen, dass beides nicht im Einklang mit internationalem Recht stehe, sagte Außenministerin Annalena Baerbock zu dem Vorhaben.

Mit den Sanktionen folgt die EU dem Beispiel der USA. Diesen haben bereits Strafmaßnahmen verhängt, die sich gegen extremistische israelische Siedler richten. Die USA werfen den Betroffenen unter anderem vor, sich im Westjordanland an Gewalt gegen palästinensische Zivilisten beteiligt zu haben.

Sanktionsinstrument zur Ahndung von Menschenrechtsverstößen

Die EU-Strafmaßnahmen sollen mithilfe des EU-Sanktionsinstruments zur Ahndung von schweren Menschenrechtsverstößen verhängt werden. Von Personen, die betroffen sind, müssen dann in der EU vorhandene Konten und andere Vermögenswerte eingefroren werden. Zudem dürfen die Personen nicht mehr in die EU einreisen und keine Geschäfte mehr mit EU-Bürgern machen.

Die Namen der Betroffenen sollen nach dem noch ausstehenden formellen Sanktionsbeschluss im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur handelt es sich im ersten Schritt um eine einstellige Zahl Personen, gegen die es Anzeigen, aber bislang keine Strafverfahren von israelischer Seite gibt. Im Idealfall sollen die EU-Sanktionen nach Angaben von Diplomaten dazu führen, dass die israelische Justiz sich künftig engagierter um die Verfolgung von Gewalt von israelischen Siedlern gegen palästinensische Dörfer und Olivenhaine kümmert.

Ungarn gibt Blockade auf

Die Sanktionen gegen Siedler hätten eigentlich bereits vor Wochen beschlossen werden sollen. Die ungarische Regierung, die in der EU als besonders israelfreundlich gilt, signalisierte allerdings erst am Montag auf Spitzenebene, dass sie die Pläne nicht weiter blockieren will. Teil der Einigung ist, dass es auch neue Strafmaßnahmen gegen die Hamas gibt.

Ein Grund für die angespannte Lage im Westjordanland ist, dass Israel dort seit der Eroberung des Gebiets im Sechstagekrieg 1967 umstrittene Siedlungen ausbaut. Die Zahl der Siedler in dem Gebiet, das zwischen dem israelischen Kernland und Jordanien liegt, ist inzwischen auf etwa eine halbe Million gestiegen. Einschließlich Ost-Jerusalems sind es sogar 700.000. Die Siedler leben inmitten von rund drei Millionen Palästinensern.

Sanktionen auch gegen die Hamas

Die Vereinten Nationen haben diese Siedlungen als großes Hindernis für eine Friedensregelung eingestuft, weil sie kaum noch ein zusammenhängendes Territorium für die Palästinenser bei einer möglichen Zweistaatenlösung zulassen. Als ein weiterer Grund für die angespannte Lage gelten Razzien der israelischen Armee in Städten des Westjordanlands wegen Anschlägen von Palästinensern gegen Israelis.

Gegen die Hamas und ihre Vertreter wurden in der Vergangenheit bereits mehrfach EU-Sanktionen verhängt. Zuletzt setzte die EU etwa den Kommandeur des bewaffneten Arms, Mohammed Deif, sowie dessen mittlerweile bei einem israelischen Luftangriff gestorbenen Stellvertreter, Marwan Issa, auf ihre Terrorliste. Beide gelten als Planer des beispiellosen Massakers in Israel vom 7. Oktober, in dessen Folge rund 1200 Israelis getötet und rund 240 Menschen in den Gazastreifen verschleppt wurden. Die Hamas selbst wurde von der EU bereits vor rund zwei Jahrzehnten als Terrororganisation eingestuft.

© dpa-infocom, dpa:240318-99-383235/3



Source link www.zeit.de