Die Bundesregierung liefert ein weiteres Patriot-Luftabwehrsystem an die Ukraine. Die Lage an der Front spitzt sich zu, sagt ein ukrainischer Oberbefehlshaber.
Deutschland liefert Ukraine weiteres Patriot-Luftabwehrsystem
Deutschland wird der Ukraine ein weiteres Patriot-Luftabwehrsystem liefern. Wie das Bundesverteidigungsministerium am Samstag mitteilte, fiel die Entscheidung dazu „aufgrund der weiteren Zunahme der russischen Luftangriffe“ gegen das Land. Die Einleitung der Übergabe aus Beständen der Bundeswehr erfolge „unverzüglich“. Deutschland hat der Ukraine bisher zwei Patriot-Systeme geliefert.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dankt Bundeskanzler Olaf Scholz für die Lieferung eines zusätzlichen Patriot-Raketenabwehrsystems. Auch für die Bereitstellung weiterer Luftabwehrraketen dankt er und erklärt via Telegram, dies geschehe in einer „kritischen Zeit“.
„Der russische Terror gegen ukrainische Städte und die Infrastruktur des Landes führt zu unermesslichem Leid“, erklärte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). „Er gefährdet die Energieversorgung der Menschen und zerstört die für die Einsatzbereitschaft der ukrainischen Streitkräfte wichtigen Industrieanlagen.“ Deutschland gehe deshalb mit der „Unterstützung der Ukraine so weit, wie wir es mit Blick auf unsere eigene Einsatzbereitschaft vertreten können.“
Patriot dient der Bekämpfung von größeren Zielen in der Luft wie Flugzeugen, Drohnen, Raketen und Marschflugkörpern. Ein System – auch Feuereinheiten genannt – besteht aus einem Radarsystem und mehreren Startgeräten für Abwehrraketen. Patriot kann bis zu 50 anfliegende Ziele im Blick behalten und fünf Objekte gleichzeitig bekämpfen. Die Reichweite beträgt laut Bundeswehr rund 68 Kilometer.
Die Abgabe des weiteren Systems sei „durch Rückläufe aus planmäßigen Instandsetzungen möglich“, erklärte das Ministerium. „Alle unsere Bündnisverpflichtungen können mit den Deutschland verfügbaren Systemen erfüllt werden.“ Gleichzeitig würden aber „unverzüglich alle erforderlichen Maßnahmen für eine beschleunigte Wiederbeschaffung und Neubeschaffung eingeleitet“. (afp/rtr)
Ukrainischer Oberbefehlshaber: Lage an Front spitzt sich zu
Das ukrainische Militär ist bei der Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg nach eigenen Angaben in eine schwere Lage geraten. „Die Lage an der Ostfront hat sich in den vergangenen Tagen deutlich zugespitzt“, schrieb Oberbefehlshaber Olexander Syrskyj am Samstag auf Telegram. Dies hänge mit verstärkten Offensivbemühungen der russischen Truppen nach der Präsidentenwahl in Russland zusammen, meinte er. Besonders heikel ist seiner Einschätzung nach die Lage um die im Gebiet Donezk gelegenen Städte Lyman, Bachmut und Pokrowsk. Gerade in Pokrowsk, westlich der erst zu Jahresbeginn von den Russen eroberten Stadt Awdijiwka, versuche das russische Militär, unter Einsatz Dutzender Panzer die Verteidigungslinien zu durchbrechen.
Syrskyj forderte die Aufrüstung der ukrainischen Armee mit Hightech-Waffen wie Drohnen. Nur mit technologischen Neuerungen könne es gelingen, das numerische Übergewicht der russischen Angreifer auszugleichen. Seit Monaten erbittet Kyjiw vom Westen eine stärkere Unterstützung. Wegen des Mangels an Munition und Waffen sind die Ukrainer immer stärker in die Defensive geraten.
Zuletzt hatten ukrainische Medien berichtet, dass russische Truppen die Ortschaft Bohdaniwka westlich von Bachmut eingenommen hätten. Offiziell hat Kyjiw den Verlust der Ortschaft nicht eingeräumt. Russische Truppen seien an den Nordrand der Siedlung vorgedrungen, es gebe heftige Kämpfe. Bohdaniwka befinde sich aber unter ukrainischer Kontrolle, hieß es aus dem Generalstab in Kyjiw dazu.
Dass es aber akute Probleme gibt, sprach auch Mychajlo Podoljak, Berater des ukrainischen Präsidentenbürochefs Andrij Jermak, im Interview mit der britischen Tageszeitung „The Guardian“ an. Die Zerstörungen der ukrainischen Infrastruktur durch russische Drohnen- und Raketenangriffe sind seinen Angaben nach darauf zurückzuführen, dass die Flugabwehr überlastet ist. Vor allem bei der Munition für Patriot- und Iris-T-Systeme gebe es ein großes Defizit, räumte er ein. (dpa)
Ukraine baut mitten im Krieg neue Atomreaktoren
Die Ukraine hat vor dem Hintergrund des anhaltenden Beschusses seiner Energieanlagen mit dem Bau von zwei weiteren Atommeilern im Westen des Landes begonnen. Im Beisein von Energieminister Herman Haluschtschenko und der US-Botschafterin in Kyjiw, Bridget Brink, sei der Grundstein für die Reaktorblöcke 5 und 6 des Atomkraftwerks Chmelnyzkyj gelegt worden, berichtete die Nachrichtenagentur Interfax-Ukraina am Samstag. Die Zeremonie soll bereits am Donnerstag stattgefunden haben, wurde aber aus Sicherheitsgründen erst jetzt bekannt.
Im Gegensatz zu anderen Kraftwerkstypen hat Russland Nuklearanlagen mit seinen Drohnen- und Raketenangriffen bisher verschont – auch aus dem Bewusstsein heraus, dass dadurch eine vom Ausmaß her schwer zu berechnende Atomkatastrophe hervorgerufen werden könnte.
Die Blöcke werden in Zusammenarbeit mit dem US-Atomenergiekonzern Westinghouse Electric Company errichtet. Es handelt sich um Druckwasserreaktoren des Typs AP 1000 mit einer Laufzeit von laut Konzernangaben mindestens 60 Jahren. „Das ist eine modernere und sicherere Technologie als die, die wir jetzt nutzen“, sagte der amtierende Vorstandschef des ukrainischen Atomenergiebetreibers Enerhoatom, Petro Kotin. Er lobte dies als Schritt zu einer neuen sicheren und zuverlässigen Energieversorgung.
Die Bauzeit für einen Reaktor wird auf vier bis fünf Jahre geschätzt, die Kosten auf etwa fünf Milliarden Dollar.
Eine schnelle Lösung für die Probleme bei der Energieversorgung der Ukraine stellen die neuen Reaktoren damit nicht dar. Russland, das vor mehr als zwei Jahren einen Angriffskrieg gegen die Ukraine gestartet hat, beschießt systematisch Anlagen der Energieversorgung im Land. Zuletzt hat es speziell Wärme- und Wasserkraftwerke mit seinen Raketen unter Beschuss genommen – die ukrainische Flugabwehr ist angesichts der Vielzahl von Attacken überlastet. (dpa)