Es zeichnet sich immer mehr ab, dass mit dem Kettensägenhersteller Stihl eine weitere deutsche Mittelstandsikone bald ins Ausland zieht. Mit Miele hatte bereits der Waschmaschinenspezialist „Made in Germany“ schlechthin im Februar angekündigt, die Produktion hierzulande ab- und dafür in Polen aufzubauen.

Bei Stihl, bekannt für das markante Orange seiner motorisierten Werkzeuge, zeichnet sich ebenfalls ein Wegzug ab. Ende März sagte Beiratsvorsitzender Nikolas Stihl der „Tagesschau“, dass der Konzern die Schweiz im Visier habe. Denn obwohl das Land an sich als teuer gilt, sei die Produktion dort billiger, so Stihl.

Eine Sprecherin ergänzte damals: „Mittelfristig steht die Forderung der IG Metall nach einer 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich im Raum. Diese Arbeitszeitverkürzung würde die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Standorts insgesamt nochmals deutlich schwächen.“

Stihl verschiebt Entscheidung, ob noch in Deutschland investiert wird

Nun scheint der Wegzug fast endgültig. Darauf lässt sich aus einer Meldung der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ schließen. Wie die Zeitung am Freitag vorab berichtete, vertagt Stihl die Entscheidung, ob ein wichtiges Werk hierzulande angesiedelt werde.

Die Traditionsfirma aus Baden-Württemberg – beinahe 100 Jahre alt, mit 20.000 Mitarbeitern weltweit – hatte eigentlich geplant, die Fertigung für die Führungsschienen der Kettensägen nach Ludwigsburg zu verlegen, so die „FAZ“. Dafür sollte eine neue Fabrik errichtet werden.

„Wir haben die Entscheidung, ob und was wir dort bauen, erst einmal verschoben“, sagte nun jedoch Nikolas Stihl, Enkel des Gründers, im Interview mit der „FAZ“. So habe sich gezeigt, dass man wohl noch „gut ein paar Jahre“ am Heimatstandort Waiblingen weitermachen könne.

Es geht um einen dreistelligen Millionenbetrag

Erneut sprach Stihl dabei die Rahmenbedingungen in Deutschland an, derzeit ein Kritikpunkt vieler Unternehmer: „Wir sind auch ein global tätiges Unternehmen und müssen uns gut überlegen, wo wir investieren, wenn wir einen dreistelligen Millionenbetrag in die Hand nehmen. Und aktuell ist der Standort Deutschland nicht mehr der attraktivste auf der Welt, um es einmal vorsichtig auszudrücken.“

„Es zeigt sich schlicht und einfach, dass sich in den vergangenen Jahren die Rahmenbedingungen in ganz wesentlichen Dingen so verschlechtert haben, dass manche Investition in Deutschland im Vergleich zu anderen Standorten nicht wettbewerbsfähig ist“, so der Familienunternehmer weiter.

Zufall ist es dabei nicht, dass Stihl sich die Schweiz ausgesucht hat, was eine künftige Fertigung angeht. Einerseits fertigt die Firma dort seit mehr als fünf Jahrzehnten bereits die Ketten seiner Motorsägen. Weil aber auch die Produktion der Führungsschienen eine „Hochtechnologie-Anwendung“ sei, käme ein Niedriglohnstandort mit geringqualifizierten Arbeitnehmern nicht in Betracht.

„Wir brauchen einen Standort mit qualifiziertem Personal in ausreichender Zahl, an dem wir mit entsprechender Ausstattung und hoher Produktivität fertigen können“, sagte der Manager. Die Schweiz biete dabei das beste Gesamtpaket aus „steuerlicher Belastung, Lohnnebenkosten, Energiepreisen, Genehmigungsprozessen und den Kosten für die Arbeitsstunde“.

Familienunternehmer kritisiert Politiker, die nur an die nächste Wahlperiode denken

„Die Schweiz ist für uns momentan günstiger als eine Investition in Deutschland“, so Stihl weiter. Der Unternehmer bemängelte indes die hohen Energiepreise in Deutschland. Außerdem vergraule die steuerliche Belastung, Staatsquote und die Bürokratie gerade viele Unternehmen, nicht nur die energieintensiven. „Diese Bewegung kommt gerade so richtig ins Rollen“, sagte Stihl, und weiter: „Was weg ist, ist weg. Denn wenn wir einen Standort aufbauen, dann besteht er erst einmal für 40, 50 Jahre.“

Der Unternehmer erklärte auch, was in der Wirtschaftspolitik anders laufen müsste. „Ich vermisse in vielen Fällen den langfristigen Horizont. Man denkt nur bis zur nächsten Wahlperiode. Und die Überlegung, was ich tun muss, um wiedergewählt zu werden, ist das alles Bestimmende“, sagte Stihl.

Politiker müssten auch einmal Risiken eingehen, wie es einst Altkanzler Gerhard Schröder mit der Agenda 2010 getan habe. Statt seine Wiederwahl zu sichern, sei er Probleme angegangen. „Die Entwicklung zeigte, dass das die richtige Maßnahme war, auch wenn es ihn das Amt gekostet hat.“





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