Manche Firmen haben Gebetsräume

Muslime in München: Inas Ali Zeidan aus Garching ist Managerin in der Personalbeschaffung.

Inas Ali Zeidan aus Garching ist Managerin in der Personalbeschaffung.

(Foto: Catherina Hess)

“Der Ramadan ist die Zeit, alles auf Reset zu schalten”, sagt Inas Ali Zeidan. Die 39-Jährige ist Recruiterin für die Automobilbranche. “Die ersten Tage sind hart, bis man wieder reinkommt. Aber es ist eine wertvolle Zeit. Man nimmt sich mental und körperlich zurück und konzentriert sich ganz auf Gott und die gute Lebensführung”, sagt sie. 30 Tage fasten, das sei “ganz schön sportlich”, aber dafür seien die Abende mit der Familie und Freunden umso wertvoller.

Sie wünscht sich, dass der Ramadan in der deutschen Gesellschaft sichtbarer wird. “Wir sind 5,6 Millionen Muslime in diesem Land und etwa die Hälfte davon fastet, da wäre es schön, wenn man sich nicht jedes Jahr wieder neu erklären müsste”, sagt sie. Als Personalleiterin beobachtet sie, wie Firmen mit ihren muslimischen Mitarbeitern umgehen. Da gebe es große Unterschiede. “Manche Unternehmen, die diverser aufgestellt sind, haben schon Gebetsräume eingerichtet und wünschen ihren Mitarbeitern ganz offiziell einen gesegneten Ramadan – so wie sie zu anderen Jahreszeiten frohe Weihnachten oder frohe Ostern wünschen.” Das sei gelebte Vielfalt und fördere das Miteinander.

In Zeiten des Fachkräftemangels würden solche Initiativen immer wichtiger. Aber es gebe auch andere Betriebe, die von den muslimischen Angestellten noch immer erwarteten, dass sie auch im Fastenmonat zum gemeinsamen Mittagstisch kämen. “Da wäre mehr Flexibilität wirklich hilfreich. Und Heilfasten liegt ja im Trend, das bietet dann auch Gesprächsstoff, über kulturelle oder religiöse Grenzen hinweg.”

Das Herz reinigen

Muslime in München: Mohamed Hamse Iriksous vom Münchner Muslimrat freut sich, dass beim Fastenmonat auch Freunde mitmachen, die nicht beten oder in die Moschee kommen.Muslime in München: Mohamed Hamse Iriksous vom Münchner Muslimrat freut sich, dass beim Fastenmonat auch Freunde mitmachen, die nicht beten oder in die Moschee kommen.

Mohamed Hamse Iriksous vom Münchner Muslimrat freut sich, dass beim Fastenmonat auch Freunde mitmachen, die nicht beten oder in die Moschee kommen.

(Foto: privat)

Mohamed Hamse Iriksous ist Politikwissenschaftler, Taxiunternehmer, Imam in der Münchner Al-Ahibba-Moschee und Mitglied im Münchner Muslimrat. Der Fastenmonat, sagt er, sei die Gelegenheit, “dass man seine Connection zu Gott updatet.” Es gehe darum, wieder die Kontrolle über seine Lebensführung zu gewinnen, die einem vielleicht unter dem Jahr ein wenig entglitten sei. Auf jeden Fall solle man Gutes tun, für Notleidende spenden, “sein Herz reinigen – das kennen ja auch das Christentum und das Judentum”.

Er selbst habe seit seiner Kindheit die Nähe zum Glauben gespürt, erzählt der 31-Jährige, der in Kiel geboren ist. Sein Vater ist halb Syrer, halb Deutscher, seine Mutter Syrerin. Es gab allerdings eine Zeit im Leben des heutigen Imams, da war seine Beziehung zu Gott gestört, sagt er: als er die Diagnose einer chronischen Erkrankung erhielt. “Doch letztlich sind es ja diese harten Prüfungen im Leben, die einen dann wieder näher zum Glauben führen.” Das Fasten tue ihm gut. Unter seinen muslimischen Freunden fasteten fast alle, erzählt er, “auch die, die nicht beten oder in die Moschee gehen.” Er habe auch Freunde, die abends im Club mal Alkohol trinken, wenn sie Lust drauf haben. “Aber beim Ramadan machen sie dann doch mit, weil es für Muslime so ein wichtiges Ritual ist.”

Für manche sei der religiöse Aspekt am wichtigsten, für andere eher der kulturelle. “In muslimischen Ländern kommen zum Ramadan extra Serien raus, die dann die ganze Familie am Abend zusammen anschaut.”

Kollegen nehmen aufeinander Rücksicht

Muslime in München: Almir Burnić leitet bei Münchenstift ein Team von 30 Pflegerinnen und Pflegern.Muslime in München: Almir Burnić leitet bei Münchenstift ein Team von 30 Pflegerinnen und Pflegern.

Almir Burnić leitet bei Münchenstift ein Team von 30 Pflegerinnen und Pflegern.

(Foto: Catherina Hess)

Almir Burnić versucht, tagsüber ganz auf Essen und Trinken zu verzichten. “Ich bin in dieser Zeit mehr bei mir”, sagt er. Der 28-jährige Pfleger kam vor neun Jahren zur Ausbildung aus Bosnien nach München und arbeitet als Wohnbereichsmanager im Alten- und Pflegeheim St. Maria des Münchenstifts. Er ist Chef eines 30-köpfigen Teams. Mindestens die Hälfte seiner Mitarbeiter, schätzt er, stamme aus dem ehemaligen Jugoslawien, andere kommen aus Tunesien, Westafrika oder anderen Teilen der Welt. Darunter sind viele Muslime, “manche fasten den ganzen Monat, andere sehen das eher entspannt und fasten nur zehn Tage lang, wieder andere überhaupt nicht”, erzählt er.

Während des Ramadan bemüht er sich, auf die Bedürfnisse der Fastenden Rücksicht zu nehmen, etwa bei der Gestaltung der Dienstpläne. Nicht ganz einfach, “aber man braucht halt ein Händchen dafür, dann klappt es meistens.” Er gibt den Fastenden dann körperlich weniger anstrengende Tätigkeiten oder berücksichtigt die Fastenzeit bei der Einteilung der Schichten. “Wir planen während des Ramadans bevorzugt Nacht- oder Spätschichten für die Muslime ein, dürfen aber auch nicht zu sehr tricksen, denn das Fasten soll ja auch bewusst gelebt werden.” Weil sich alle gut kennen, sei das in der Regel kein Problem. “Es herrscht eine große gegenseitige Wertschätzung in unserem Team”, sagt er, deshalb seien die nicht-muslimischen Kollegen bereit, während des Ramadan auch mal für jemand, der fastet, eine Schicht zu übernehmen. Das sei fast wie in einer Familie.

Und am Ende des Monats, wenn Menschen in allen Teilen der Welt das Zuckerfest feiern, gibt es auch in der Kantine des Münchenstifts ein Festmahl: Lammeintopf, Fisch, Baklava und andere Süßigkeiten.

Fastenbrechen mit Datteln

Muslime in München: Narcis und Melita Hrnjica vor ihrem Restaurant in Sendling, wo sie ein Ramadan-Menü anbieten.Muslime in München: Narcis und Melita Hrnjica vor ihrem Restaurant in Sendling, wo sie ein Ramadan-Menü anbieten.

Narcis und Melita Hrnjica vor ihrem Restaurant in Sendling, wo sie ein Ramadan-Menü anbieten.

(Foto: Catherina Hess)

Die Inhaber des River-Restaurants in Sendling bieten jedes Jahr ein Ramadan-Menü an. Am Montag um 18.29 Uhr, zum Sonnenuntergang, geht es mit dem ersten Fastenbrechen los. Zuerst bekommt jeder eine Dattel, das ist Tradition, “weil der Prophet das schon so gemacht hat und weil man sagt, dass Datteln eine reinigende Wirkung im Körper haben”, erklärt Melita Hrnjica. Danach gibt es eine Suppe, um den Magen aufzuwärmen und anschließend traditionelle bosnische Gerichte wie gefüllte Paprika, Krautwickel oder Ražnjići. “Man muss unbedingt reservieren, denn das Lokal ist in diesen Tagen besonders gut besucht.”

Es kommen Familien mit Kindern, junge Leute, die sich zum Fastenbrechen treffen, aber auch alleinstehende Männer, die nach dem Fasten am Abend etwas Deftiges zum Essen möchten. “Das ist immer eine besonders schöne, friedliche Stimmung, wenn im Ramadan nach Sonnenuntergang alle zusammensitzen. Da entsteht eine besondere Nähe.” Damit das Wirtepaar auch selbst ein bisschen was vom Abend hat, helfen Freunde und Familienmitglieder in der Küche und im Service. Auch für die Kinder sei diese Zeit etwas Besonderes. “Unsere Kinder wachsen weltoffen auf, durch den Kindergarten und die Schule ist ihnen Weihnachten und Ostern bekannt, und dann kommt noch der Ramadan dazu.” Kinder fasten noch nicht, erst ab der Pubertät. “Wir werden es ihnen dann selbst überlassen, ob sie fasten wollen oder nicht.”

Die Eltern verzichten tagsüber auf Essen und Trinken – nicht so einfach, wenn man auch noch in der Gastronomie arbeitet. Aber der Körper stelle sich darauf ein und letztlich sei es eine Kopfsache, sagt Melita Hrnjica. “Ich denke an die vielen Menschen auf der Welt, die gar nichts haben, und wie gut es uns hier geht. Mein Mann und ich haben den Krieg in den 1990er-Jahren in Bosnien erlebt, wir sind Flüchtlingskinder. Wir sind dankbar für das, was wir heute haben. Während der Fastenzeit kann man die Tatsache, dass man jeden Tag etwas Warmes auf den Tisch bekommt, noch viel mehr wertschätzen.”



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