Wismar. Der eine oder andere mag hinter der Fassade des grünen Hauses im Köppernitztal in Wismar einen Lost Place vermuten. Die Fenster sind zugenagelt. Das Grundstück scheint verlassen. Aber montags steht die Tür offen. Dann lohnt sich ein Blick in die ehemalige Tierparkgaststätte.

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Nach der Wende stand der Flachbau lange leer. Seit 2005 beherbergt er den Modelleisenbahn-Club Wismar. Tische, Stühle und Tresen sind Modellbahnanlagen gewichen. Hier blinken viele kleine Lichter, da ist ein Signal zu hören. An anderer Stelle rührt sich dagegen nichts. Streik eben. Alles ist mit Liebe zum Detail hergerichtet: ob der Bahnhof Warin, die Dömitzer Brücke oder das Bahnbetriebswerk Wismar aus den 1970er-Jahren.

Laien schlagen wahrscheinlich die Hände über dem Kopf zusammen, wenn sie all die Kabelei und Lötstellen sehen. Aber der Vereinsvorsitzende Eckhard Kröpelin und sein Team haben hier voll den Durchblick.

Nur noch eine Arbeitsgemeinschaft in Wismar

Zwölf Mitglieder zählt der am 25. April 1972 gegründete Verein aktuell. Der Jüngste ist 13 Jahre alt, der Älteste 78. „Es ist leider ein aussterbendes Hobby“, bedauert Kröpelin. Die Arbeit sei aufwendig. Mit Digitalisierung versuchen sie, die Jugend an das Hobby zu binden. Aber ganz ohne Lötkolben, Schraubendreher und Bohrer gehe es eben nicht. „Früher gab es Arbeitsgemeinschaften an Schulen. Derzeit haben wir in Wismar nur noch eine in einem Hort.“

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Modelleisenbahner geben Einblick

Bahnhöfe nachbauen, Schienen aneinanderreihen, Loks programmieren: Das Modelleisenbahn-Hobby ist vielfältig – aber auch nicht günstig.

Hinzu kommt, dass es ein teures Hobby ist. Eine gute Lok kostet um die 150 Euro. „Dampfloks fangen bei 355 Euro an und gehen schnell in die Tausende.“ Bevor die Loks im Vereinshaus ihre Runden drehen, müssen sie programmiert werden. Dann geht – durch die Laienbrille geschaut – alles wie von Zauberhand: Sie verlangsamen kurz vor dem Bahnhof ihre Geschwindigkeit und halten direkt am Bahnsteig an. Eckhard Kröpelin grinst zufrieden. „Es ist ein tolles Hobby und bietet mir Ausgleich.“

Brille verhinderte Berufswunsch des Vereinschefs

Mit sechs Jahren bekam er seine erste Anlage. Fortan wollte er Lokführer werden. Doch seine Sehschwäche machte ihm einen Strich durch die Rechnung. „Früher durften die Lokführer keine Brille tragen.“ Also lernte er Schlosser bei der Bahn. Als solcher hat der Schweriner, der heute in Wismar wohnt, zehn Jahre lang gearbeitet. Dann führten ihn familiäre Umstände zum Seehafen. Von dort wechselte er zur Polizei. Seit zwei Jahren ist er im Ruhestand.

Würden die Vereinsmitglieder alle 1403 verbauten Gleise aneinanderreihen, kämen sie auf eine Gesamtlänge von 225 Meter. Das sind umgerechnet 19,6 Kilometer echte Gleislänge. Hinzu kommen mehr als 100 Elemente, wie Häuser, Schranken, Lampen und Bäume, die mit den einzelnen Modulen verschraubt oder verleimt sind.

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Das alles zu Ausstellungen zu bringen, bedarf genauester Planung. So wird am Computer eine Zeichnung angefertigt, wie die Streckenmodule gestellt werden. Wenn mal eine Säule im Weg ist, muss eben drum rum gebaut werden. In diesem Jahr will sich der Verein am 7. und 8. September in der Reithalle präsentieren. „Wenn wir alle Anlagenteile transportieren, ist ein 7,5-Tonner bis unters Dach voll.“

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Zwei große Projekte stehen demnächst noch an. „Wir hoffen, dass wir das nachgebaute Bahnbetriebswerk Wismar aktivieren können. Das ist uns überlassen worden und es gibt einiges daran zu tun“, so Kröpelin. Außerdem steht der Bahnhof Blankenberg vor einem Totalumbau. Irgendwann soll auch die Zuwegung zum Vereinshaus in Eigenleistung erneuert werden.

Und warum die vernagelten Fenster? „Es ist uns vor einiger Zeit ein Fenster samt Rahmen geklaut worden“, sagt Kröpelin kopfschüttelnd. Schade finde er auch, dass regelmäßig Graffitischriftzüge an der Fassade hinterlassen werden.

OZ



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