Es gibt mehrere gute Nachrichten und eine schlechte. Fangen wir mit einer sehr guten Nachricht an: Solarenergie boomt wieder, und zwar nicht nur ein bisschen, sondern erheblich . Der Anteil
der Photovoltaik an der Bruttostromerzeugung in Deutschland in den letzten drei Jahren um statte 30 Prozent gestiegen. Das ist doppelt erfreulich. Denn zum einen sinken dadurch unsere klimaschädlichen Emissionen und zum anderen sparen wir Geld.
Ausbau erneuerbarer Energien lassen Strompreise sinken
Der Ausbau erneuerbarer Energien kann nämlich im Vergleich zum konventionellen System die Kosten erheblich senken. Das belegen zahlreiche Energiemarkt -Studien und hat plausible Gründe. Die Kosten sinken durch:
- Effizienz. Wenn Ökostrom etwa bei E-Autos, Straßenbahnen oder Fernzügen im Verkehr oder bei Wärmepumpen beim Heizen (Power to Heat) direkt genutzt wird, sinkt der sogenannte „Primärenergiebedarf“ erheblich, also die Energiemenge, die zur Gewinnung, Umwandlung und den Transport des Energieträgers bis zur Nutzung benötigt wird.
- Vermeidung von Verschwendung. Konventionelle Energiesysteme haben sowohl beim Heizen, als auch im Verkehr oft Energieverluste in hohem Maße. Deswegen haben sie geringere Wirkungsgrade als ein auf Erneuerbaren Energien basierendes System. Der Wirkungsgrad eines Verbrennermotors beispielsweise liegt bei maximal 40 Prozent, der eines Elektromotors bei 80 Prozent. Auch bei großen Wärmepumpen und Power-to-Heat-Technologien sind die Wirkungsgrade deutlich höher als im konventionellen Energiesystem.
- Skalierungseffekte. Je mehr von etwas produziert wird, desto billiger wird jedes einzelne. Das gilt auch für Module zur Erzeugung erneuerbarer Energie. Auch die Kosten für Batterien sinken stetig. Eine „Renewable & Efficiency first“-Politik würde eine solche Skalierung beschleunigen, so dass ein Großteil der Energieversorgung aus erneuerbaren Energien samt Speichern sicher und kostengünstig angeboten werden kann. Ergebnis: Die Vollversorgung aus erneuerbaren Energien senkt die Energie-Systemkosten massiv .
- Geringere Bau- und Betriebskosten. Ein einzelnes Gaskraftwerk kann zwar auf einen Schlag sehr viel mehr Energie produzieren als ein einzelnes Windrad. Dafür aber verursacht es hohe Kosten im Bau und Betrieb. Deswegen lohnt sich ihr Einsatz nur als „Spitzenlastkraftwerk“ in „Residuallastzeiten“, nämlich bei hoher Nachfrage und zu geringem Angebot von erneuerbaren Energien. Es geht dabei um wenige Stunden im Jahr, in denen nicht ausreichend Solar-, Wind- und andere erneuerbare Energien zur Verfügung stehen. Diese Zeiten reduzieren sich aber auf ein Minimum, je mehr erneuerbare Energien im System sind. Genau deswegen fordern die Betreiber von Gaskraftwerken Subventionen. Der reguläre Betrieb rechnet sich schon heute nicht mehr.
Soweit die vielen guten Nachrichten. Jetzt die schlechte.
Kosten – massiv überschätzt versus künstlich klein gerechnet
Kaum erweist sich die Solarenergie als ernstzunehmende Konkurrenz für die herkömmlichen Energien, kommen Studien auf den Markt, die angeblich gravierende Nachteile vorrechnen. Da werden beispielsweise die (angeblich enormen) Kosten des Ausbaus von Solarenergie den (angeblich deutlich geringeren) Kosten des Neubaus von Gaskraftwerken gegenübergestellt, die künftig – so wird behauptet – mit Wasserstoff betrieben werden sollen.
Das Grundprinzip solcher Berechnungen kennen wir schon aus der letzten Solar-Boomzeit vor gut 10 Jahren. Damals gelang es, der Politik weiszumachen, dass Gas eine nachhaltige Zukunft als „Brückentechnologie“ habe. Der einfache Trick: Erst werden die Kosten des Ausbaus der erneuerbaren Energien samt Netzen massiv überschätzt. Dann werden Kosten von Gaskraftwerken künstlich klein gerechnet. Die geostrategischen Risiken werden ausgeklammert, die Kosten des Klimawandels sowieso. Billigbillig-Abrakadabra! Und schon ist die Konkurrenz weggezaubert.
Mit angeblich Billionen Kosten durch die Energiewende wurde damals die Drosselung des Ausbaus erneuerbarer Energien begründet. Die Konsequenzen kennen wir. In den letzten 10 Jahren brach der Erneuerbare-Energie-Markt zusammen, über 100.000 Jobs ging verloren. Und erst die russische Invasion in der Ukraine im Februar 2022 weckte die deutsche Öffentlichkeit aus ihrer fossilen Hypnose. Zwei Jahre später scheint diese Gaspreis-Schockwelle bereits vergessen, und die Gasbranche schwingt erneut den Zauberstab. Das Ziel ist dasselbe: Wettbewerb aus dem Weg räumen.
Wieder wird vorgerechnet, dass der (angeblich teure) Ausbau der erneuerbaren Energien gedrosselt werden muss, um damit zu rechtfertigen, dass ein deutlich starker Zubau von (angeblich billigen) Gaskraftwerken notwendig ist. Das stimmt natürlich: Wenn (ja, wenn!) wir die Erneuerbaren nicht ausbauen, haben wir zu wenig davon. Klar. Aber die logische Konsequenz daraus heißt nicht: Gaskraftwerke neubauen , sondern Erneuerbare ausbauen . Als künftig eventuell notwendige Reserve reichen nämlich die bereits vorhandenen Gas- und andere Kraftwerks-Kapazitäten und Reserven absolut aus.
„Wasserstoff-ready“ ist Brückentechnologie-Theater
Damit uns dieser simple Logik-Sidestep nicht auffällt, wird die ganze Gaslobby-Inszenierung durch angebliche Technologie-Offenheit erweitert und eine bunte Wasserstoff-Ablenkung inszeniert: blau, Grün, pink, braun, grau, türkis und weiß und könne der Wasserstoff sein und für eine derart farbenfrohe Zukunft seien allein natürlich moderne Gaskraftwerke gerüstet. „Wasserstoff-ready“ heißt das neue Zauberwort. Das viele schöne Bunt verschleiert leider, dass nur Grün grün ist. Heißt: Nur grüner Wasserstoff wird aus erneuerbaren Energien hergestellt und stößt so gut wie keine klimaschädlichen Emissionen aus. Die andersfarbigen Wasserstoffe werden aus Erdgas, Kohle, Öl, Atomenergie oder anderen nicht -erneuerbaren Quellen hergestellt.
Wenn wir aber um künftig grünen Wasserstoff zu nutzen, heute Gaskraftwerke bauen, um darin den grünen Wasserstoff in Energie umzuwandeln, ist das nicht nur ineffizient sondern auch teuer. Und derzeit eine Fata Morgana: Grüner Wasserstoff ist kaum vorhanden, es fehlt zudem die Infrastruktur. Außerdem ist technisch fraglich, ob Gaskraftwerke so ohne weiteres vollständig mit Wasserstoff genutzt werden können. Also wie immer das alt bewährte Brückentechnologie-Theater. Das Ziel: Gaskraftwerke möglichst lang weiterlaufen lassen.
+++ Keine Klima-News mehr verpassen – abonnieren Sie unseren WhatsApp-Kanal +++
Denn statt also die Erneuerbare Energie erst in Wasserstoff umzuwandeln, um den dann zu verbrennen, damit daraus Wärme oder Antriebskraft entsteht, könnten und sollten wir die Erneuerbare Energie gleich direkt nutzen. Das wäre natürlich weder „Brücken“- noch „Zukunftstechnologie“. Das ist nämlich bereits Gegenwartstechnologie. Toll eigentlich – nur nicht für die Betreiber von Gaskraftwerken. Sie wollen weiter Gaskraftwerke nutzen.
Kleiner Trost: Grüner Wasserstoff hat trotzdem Zukunft. Der kann nämlich zum Einsatz kommen, wo es keine direkte elektrische Alternative gibt. Das ist in erster Linie im Industriebereich und in Teilen der Mobilität der Fall. Für alles andere wäre er zu teuer. Denn um grünen Wasserstoff herzustellen, braucht man fünf bis acht Mal so viel Ökostrom, als wenn man diesen direkt nutzen würde. Der Einsatz von grünem Wasserstoff ist deswegen die teuerste Form der Energieversorgung. Wasserstoff ist der Champagner unter den Energieträgern. Er ist etwas für besondere Anlässe.
Solarboom bringt Wertschöpfung und Jobs
Statt neue Gaskraftwerke zu subventionieren, sollten wir besser die erneuerbaren Energien ausbauen. Dass derzeit der Anteil von Solarenergie glücklicherweise wieder etwas ansteigt, ist ein gutes Zeichen. Wie bei jedem Aufkeimen einer Wachstumsbranche gilt es, diesen Fortschritt nicht zu drosseln, sondern zu forcieren. Wenn wir jetzt als Volkswirtschaft in Solarstrom investieren, schaffen wir Wertschöpfung und Jobs. Es wäre dumm, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Stattdessen sollten wir die durchschaubaren Gaslobby-Argumente ignorieren und endlich die Energiewende aus erneuerbaren Energien beherzt umsetzen. Das wäre dann die allerbeste Nachricht.