Hallo zusammen,
in dieser Woche geht es im Klima-Kompass noch einmal um lästigen Kohlenstoff (den es loszuwerden gilt), um Zuschüsse (die die Energiewende hoffentlich ein Stück voranbringen), und um Buckelwale (die von Klimafortschritten ebenfalls profitieren würden):
Punkt eins: Mit Pragmatismus gegen CO₂
Dampf und Abgase steigen aus einem Fabrikschornstein in Brandenburg.
Quelle: Patrick Pleul/dpa
Es sei „Zeit für Pragmatismus“ – mit diesen Worten hat Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) diese Woche seine Strategie zum Umgang mit unvermeidlichen CO₂-Emissionen vorgestellt: Sie setzt auf CCS (Carbon Capture & Storage), das Abscheiden und Lagern von Kohlendioxid, das hier im Newsletter schon öfters Thema war. Die Option, klimaschädliches CO₂ aufzufangen und im Untergrund zu lagern, ist in Deutschland lange und kritisch diskutiert worden. Zu teuer, zu wenig erforscht, lauten die Vorwürfe.
Erst im Januar hat sich ein Bündnis aus elf Umweltverbänden und Initiativen gegen CCS positioniert. Auch diese Woche gab es Proteste. Viele sehen darin ein Konjunkturprogramm für fossile Energien, ein Hindernis, in Erneuerbare zu investieren und Gefahren durch Leckagen – etwa für das Wattenmeer.
Auch Habeck war mal dagegen – und änderte seine Meinung
Auch Robert Habeck war lange skeptisch. Als Grünen-Chef in Schleswig-Holstein wandte er sich 2009 öffentlich gegen eine „Müllhalde für CO₂″ in seinem Bundesland, berichtet mein Kollege Andreas Niesmann. Aber Habeck hat seine Meinung geändert. Denn: Der Kohleausstieg sei beschlossene Sache, eine längere Laufzeit der Meiler nicht mehr zu befürchten, außerdem gebe für bestimmte Industrieprozesse wie Stahl- oder Zementproduktion keine klimaneutrale Alternativen.
Auch einige Forschende, etwa Klimaökonom Ottmar Edenhofer oder der Weltklimarat (IPCC), aber durchaus aus manche Umweltverbände betonen: Ohne Abscheidung kann das 1,5 Grad-Ziel kaum mehr erreicht werden. Habeck möchte nun das Kohlendioxid-Speichergesetz ändern, so dass die Nutzung einer Speicherstätte auf hoher See erlaubt ist, auch vor der deutschen Küste. Meeresschutzgebiete sollen ausgenommen werden. Auch an Land soll es keine unterirdische Verpressung geben.
Habeck muss nun zuerst seine Kabinettskollegen und dann die Abgeordneten im Bundestag von den Plänen überzeugen. Widerstand droht ihm ausgerechnet aus der eigenen Fraktion, aber auch aus den Reihen der SPD. FDP und Union hingegen dürften ihm – was ja selten genug geschieht – den Daumen hoch zeigen.
Punkt zwei: Deutschlands Dürre ist vorbei
Skudden – eine besonders genügsame Schafart – auf einer ausgetrockneten Wiese im Brandenburger Wildpark Schorfheide im Juni 2023.
Quelle: Fabian Sommer/dpa
In Städten wie Berlin gossen ganze Nachbarschaften im Sommer ihre dürstenden Straßenbäume. Mächtige Flüsse wie Elbe oder auch Rhein konnte man zu Fuß durchqueren, ganz zu schweigen von den heftigen Waldbränden, die vor allem in Brandenburg wüteten. Seit 2018 hatte die Natur in Deutschland mit Dürre zu kämpfen, vor allem im Norden und Osten des Landes.
Doch nach den sehr nassen Herbst- und Wintermonaten ist die lange, extreme Dürre in Deutschland vorbei. „Die Dürre hat sich aufgelöst, das ist deutschlandweit eigentlich kein Problem mehr“, sagt jetzt der Leiter des Dürremonitors beim Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Andreas Marx, in Leipzig.
Die schlimmste Dürre seit 1867 ist zu Ende
Seit 2018 hatten extrem trockene Böden bis in tiefere Schichten für gravierende Schäden vor allem im Wald gesorgt. Auch über die Versorgungssicherheit beim Thema Wasser wurde diskutiert. „Eine Dürresituation über mehrere Jahre hat es in der Intensität seit 1867 nicht mehr gegeben“, bestätigt Klimaforscher Marx.
Aktuell gebe es lediglich im Osten Sachsens, Brandenburgs und Mecklenburg-Vorpommerns noch einzelne Regionen, in denen trockenere Böden registriert werden, sagte Marx. Das habe mehrere Gründe: Zum einen habe die Niederschlagsmenge 2023 rund 40 Prozent über dem langjährigen Mittel gelegen. „Je weiter man nach Osten kommt, desto niedriger ist allerdings der Überschuss, sagte Marx. Zum anderen dringe das Wasser in Regionen mit einem hohen Ton- oder Lehmanteil im Boden langsamer nach unten.
Die flächendeckende Auflösung der Dürre ist für die Wald-, Forst und Wasserwirtschaft eine gute Nachricht: 2024 dürfte für diese Bereiche relativ entspannt werden, sagt Marx voraus. Aktuell sei so viel Wasser im Boden, dass eine kritische Situation in diesem Jahr sehr unwahrscheinlich sei.
Punkt drei: Auf die Heizung, fertig, los
Richtung fossilfreie Wärme: Jetzt gibt’s Zuschüsse vom Staat.
Quelle: IMAGO/Christian Ohde
Was war das für ein Drama ums Heizungsgesetz im vergangenen Jahr. Erst schlecht kommuniziert, dann so lange debattiert, bis bei Verbraucherinnen und Verbrauchern große Verwirrung bis Frust herrschte und manche glaubten, sich auf den vermeintlich letzten Metern besser doch noch eine neue Gasheizung zu kaufen. Auf sie werden zum Ende des Jahrzehnts nun hohe Energiekosten zukommen – denn die Preise für fossile Brennstoffe werden auch wegen der CO₂-Abgaben deutlich steigen.
Seit Anfang 2024 ist das Heizungs- oder offiziell Gebäudeenergiegesetz in Kraft, seit Dienstag werden nun Zuschüsse für klimafreundliche Heizungen verteilt. Die Förderbank KfW übernimmt bis zu 70 Prozent der Kosten. Auch für hybride Lösungen mit Öl- und Gasbrennern gibt es Geld. Allerdings nur, wenn die erneuerbare Wärmeerzeugung die Hauptlast trägt. Mein Kollege Frank-Thomas Wetzel hat ausführlich zusammengestellt, welche Zuschüsse es für welche Heizungsart gibt – und wer sie nun beantragen kann.
Die Nachfrage nach Wärmepumpen klettert
Grundsätzlich gilt: Zuschüsse gibt es nur für Heizungen, deren Energie zu 65 Prozent aus erneuerbaren Quellen kommt. Dazu werden insbesondere Wärmepumpen gerechnet, die mit Strom arbeiten – und bei denen die Nachfrage seit Jahresbeginn deutlich anzieht. Experten schätzen, dass in etwa 70 Prozent der Gebäude eine solche Wärmepumpe ohne großen baulichen Aufwand installiert werden kann.
Für ein Einfamilienhaus gibt es dazu Zuschüsse in Höhe von bis zu 21 000 Euro. Aber auch Biomasseheizungen, Stromdirektheizungen oder Heizungen mit Solarthermie können unter bestimmten Voraussetzungen gefördert werden.
Der Energiekonzern Eon hat ausgerechnet: Wenn jedes zweite Einfamilienhaus hierzulande, das derzeit noch mit Öl und Gas beheizt wird, auf Wärmepumpen umgestellt, könnten in einer Heizperiode (Oktober bis März) bis zu 17 Millionen Tonnen CO₂ eingespart werden – das entspricht dem gesamten Ausstoß von Schleswig-Holstein.
Kopf oder Zahl: 20
Ein Buckelwal springt vor der Küste von Ecuador aus dem Wasser.
Quelle: Jose Jacome/epa efe/dpa
Um bis zu 20 Prozent ist die Zahl der Buckelwale im Nordpazifik geschrumpft, weil den Tieren die Meereserwärmung stark zu schaffen macht – und das, nachdem sie sich nach dem Ende des kommerziellen Walfangs zunächst deutlich erholt hatten. Das berichtet eine internationale Forschergruppe nach einer umfangreichen Bestandsaufnahme der riesigen Säugetiere im Fachblatt „Royal Society Open Science“.
In den 1970er-Jahren schien das Schicksal der Buckelwale fast besiegelt: Durch den kommerziellen Walfang gab es in den Ozeanen kaum noch Großwale, auch Buckelwale (Megaptera novaeangliae) wurden wegen ihres proteinreichen Fleisches über Jahrhunderte intensiv gejagt. Tatsächlich aber erholten sich die Bestände durch Schutzgesetze und die weltweite Einschränkung des Walfangs allmählich – so sehr, dass die US-Meeresschutzbehörde die meisten Buckelwal-Populationen 2016 als „nicht mehr bedroht“ einstufte und von einer „wirklichen ökologischen Erfolgsgeschichte“ sprach.
Walsichtungen aus 20 Jahren – gesammelt im Web
Aber diese Erfolgsgeschichte hielt nicht an, denn der Klimawandel machte sich bemerkbar. Das zeigt die Bestandsaufnahme, die die Forscher mit Hilfe von rund 4300 Bürger-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftlern für die Zeit von 2001 bis 2022 erstellen konnte. Dazu wurden Walsichtungen auf der Webplattform „Happywhale“ gesammelt und ausgewertet.
2012 lebten demnach im Nordpazifik fast 33.500 Buckelwale, 2021 waren es dann nur noch gut 26.600 Tiere. Die Analyse der Forscher: Die schwere Hitzewelle im Meer von 2014 bis 2016 hat das Nahrungsangebot für die Meeresriesen reduziert.
Gibt es Feedback oder Anregungen? Gerne her damit an Klima-Kompass@rnd.de.
Es grüßt herzlich bis zur nächsten Woche:
Andrea Barthélémy
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