Weiße Fassaden, düstere Aussichten: Mieter*innen in der Weißen Siedlung klagen über Verwahrlosung.

Weiße Fassaden, düstere Aussichten: Mieter*innen in der Weißen Siedlung klagen über Verwahrlosung.

Foto: Imago/Dirk Sattler

»Aufgrund der markanten Baustruktur hebt sich das Quartier von den umliegenden Gebieten ab und ist mit seinen weißen, bis zu 18-geschossigen Wohnhochhäusern weithin sichtbar.« So beschreibt das Quartiersmanagement die Alleinstellungsmerkmale der Weißen Siedlung in Neukölln. Die Geschichten allerdings, die die Bewohner*innen am Samstagmittag erzählen, sind düster. Rund 140 von ihnen haben sich zu einer Kundgebung gegen ihren Vermieter – die Adler-Gruppe – versammelt.

Sie berichten von Schimmel in den Wohnungen, Ratten in den Gängen und nicht funktionierenden Fahrstühlen. Ältere Mieter*innen in den oberen Stockwerken konnten deshalb ihre Wohnungen nicht verlassen, klagt Mieterin Silke Fehst. Die börsennotierte Adler-Gruppe, die die Häuser 2016 übernommen hat, ignoriere die Beschwerden. Dabei wirbt sie damit, rund um die Uhr für die Probleme der Mieter*innen erreichbar zu sein. Aber: »Wenn Mieter*innen anrufen, landen sie auf einer Hotline. Doch dann gibt es auf ihre Beschwerden keinen Rückruf«, sagt Mieter Tobias Lemme.

So war es auch im Februar dieses Jahres. Als es in einem der Häuser brannte, war niemand zu erreichen. »Die Hausverwaltung hat sich jeglicher Verantwortung entzogen und die Mieter*innen ohne Wasser und Strom in ihren Wohnungen sitzenlassen. Bis heute sind die Folgen der Brände nicht behoben«, moniert Fehst. »Es war schließlich der Bezirk, der Notunterkünfte für die Mieter*innen bereitstellen musste, die zeitweise nicht mehr in ihre durch den Brand geschädigten Wohnungen konnten«, beschreibt Lemme die Lage vieler Bewohner*innen.

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Doch die Adler-Gruppe agiert nicht immer so passiv. Als ein 70-jähriger Mieter aufgrund gravierender Mängel die Miete mindert, kündigt ihm die Adler-Gruppe den Mietvertrag. Die Abwendung der Kündigung musste der Mieter gerichtlich durchkämpfen. Schließlich konnte er seine Wohnung behalten.

Mittlerweile konsolidiert sich der Widerstand derer, die in der Weißen Siedlung zu Hause sind. Der Komplex wurde in den 1970er Jahren im Rahmen des Sozialwohnungsbaus errichtet. Lemme und Fehst engagieren sich in der »Kiez-Initiative Weiße Siedlung«, die die Kundgebung am Samstag organisiert hat. »Ich bin zahlende Mieterin und erwarte von meinem Vermieter, dass ich eine Leistung erhalte«, betont Fehst. Dazu gehört für sie die Reparatur von Fahrstühlen, das Austauschen defekter Schlösser oder auch das Entfernen von Sperrmüll.

Ihre Forderungen hat die Initiative in einem Brief an die Adler-Gruppe formuliert. 900 der insgesamt 1700 Mieter*innen haben ihn unterschrieben. Neben der Beseitigung der Mängel soll künftig zeitnah auf deren Anzeige reagiert werden. Die Adler-Gruppe habe sich an die Selbstverpflichtung im Rahmen des Wohnungsbündnisses mit dem Senat zu halten: Mieterhöhungen sollen sich in den dort vereinbarten Grenzen bewegen. Weiterhin fordern die Mieter*innen eine zeitnahe Antwort auf den Brief sowie ein Gespräch mit Vertreter*innen der Adler-Gruppe.

»Es war ein großer Kraftakt, die Unterschriften zu sammeln«, betont Lemme. In dem Quartier wohnen Menschen aus unterschiedlichen Ländern. Deshalb hat die Kiezinitiative, die mit Unterstützung des Berliner Mietervereins entstanden ist, Flyer in sechs Sprachen verfasst.

Auf der Kundgebung erhält ein Redebeitrag von Adler-Mieter*innen aus Spandau und Reinickendorf großen Applaus. Sie klagen über ähnliche Probleme. Auch für sie sei niemand für Reparaturen erreichbar. Dem »RBB« teilte die Adler-Gruppe mit, dass man das Möglichste tue. Oft seien die Mieter*innen selbst schuld an den Zuständen.

Gemeinsam wollen einige der betroffenen Mieter*innen am Montagmorgen um 8.30 Uhr vor dem Abgeordnetenhaus demonstrieren. Zu der Zeit sollte im Stadtentwicklungsausschuss eigentlich eine Anhörung zu dem Gebaren der Adler-Gruppe stattfinden. Betroffene Mieter*innen sollten auch teilnehmen. Das konnte die CDU im letzten Moment jedoch unterbinden.

Beobachter*innen der Immobilienbranche weisen schon seit Langem darauf hin, dass es zum Geschäftsmodell der Adler-Gruppe gehört, Häuser, in denen Menschen mit geringen Einkommen wohnen, aufzukaufen und dann verkommen zu lassen. Der katastrophale Umgang mit den Mieter*innen der Weißen Siedlung zeige, dass die Adler-Gruppe als Vermieter untragbar sei, erklärte die Initiative Deutsche Wohnen und Co enteignen. »Diese Wohnungen müssen dringend vergesellschaftet werden.«

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