Vertreter aus Landwirtschaft, Tierschutzverbänden und Wissenschaft wollen dem Kanzler am Donnerstag etwas nahelegen, was insbesondere der FDP kaum schmecken dürfte: Um Landwirtinnen und Landwirte bei der Einrichtung tierwohlgerechter Ställe zu unterstützen, spricht sich die Zukunftskommission Landwirtschaft+ (ZKL+) einhellig für eine höhere Mehrwertsteuer auf Tierprodukte aus. Dies geht aus einem dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegenden Eckpunktepapier hervor.

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Der Vorstoß geht ans Eingemachte, gilt bei Fleisch bislang doch ein Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent. „Die Mitglieder der ZKL+ unterstützen die Anhebung des bisher reduzierten Mehrwertsteuersatzes auf tierische Produkte“, heißt es nun in dem Papier. Das ist noch ein Entwurf, spiegelt in dem Punkt nach RND-Informationen aber eine Einigung unter den Mitgliedern wieder – zu denen auch der mächtige Bauernverband gehört.

Deutsches Fleisch soll wettbewerbsfähig bleiben

Verknüpft ist der Vorschlag mit der Einführung „gesicherter, langfristiger“ Vereinbarungen mit Landwirtinnen und Landwirten über Zuschüsse für tierwohlgerechtere Stallumbauten. Geboten ist das dem Eckpunktepapier zufolge, weil deutsches Fleisch bei höheren Tierhaltungsstandards ohne Zuschüsse international nicht mehr wettbewerbsfähig wäre. Auch brauchten Landwirtinnen und Landwirte dringend Planungssicherheit bei künftig zu errichtenden Ställen.

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Der Bauernverband, der die Einigung offenbar mitträgt, wollte sich am Mittwoch indes nicht zu dem Papier äußern. „Die Einigung ist ein echter Durchbruch“, freute sich stattdessen Tierschutzbundpräsident Thomas Schröder im Gespräch mit dem RND. Alle Akteure hätten mitunter schmerzhafte Zugeständnisse gemacht. „Aber die Landwirtschaft braucht Planungssicherheit und Frieden“, so Schröder weiter.

Es sei der Wunsch der Gesellschaft, die Tierhaltungsbedingungen in Deutschland weit über die Standards anderer europäischer Länder hinaus zu verbessern, erklärte auch Raiffeisenpräsident Franz-Josef Holzenkamp gegenüber der „Bild“-Zeitung. „Daher sind wir für eine Mehrwertsteuerlösung,“ bestätigte Holzenkamp, dessen Verband an dem Eckpunktepapier beteiligt war.

Mehr frische Luft für die Tiere

Wie aus dem Papier hervorgeht, soll mit den zusätzlichen Steuereinnahmen der Umbau von Ställen finanziert werden, auf dass die bisher üblichen Haltestufen (Stall und Stall+Platz) gestrichen werden können. „Konkret würde die stufenweise Umsetzung bedeuten, dass sämtliche geschlossenen Stallsysteme ab 2040 wegfallen und die Tiere dann frische Luft und Tageslicht bekommen“, fasste Tierschutzpräsident Schröder den Plan zusammen.

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Der hat allerdings den Haken, dass er mit einer Steuererhöhung einhergehen würde – was der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP ausschließt. Die Ampelkoalitionäre hatten auch deshalb zwischenzeitlich eine Finanzierung mithilfe einer Abgabe anvisiert. Für die ZKL+ kommt aber nur eine Finanzierung aus dem Haushalt und damit über Steuern infrage. „Alle anderen Arten von staatlich organisierten oder flankierten Abgaben sind technisch oder rechtlich nicht oder nicht sinnvoll umsetzbar“, heißt es im Eckpunktepapier.

Agrarminister Cem Özdemir begrüßte die Einigung in der ZKL+ am Mittwoch, obgleich er selbst zwischenzeitlich für die Abgabenvariante in Gestalt des sogenannten Tierwohlcents geworben hatte. „Ich habe aber auch immer betont, dass ich für andere Finanzierungswege – etwa über die Mehrwertsteuer – offen bin“, teilte Özdemir nun mit. Eine satte Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher wolle schließlich, dass Tiere besser gehalten werden.

„Das hätte eine gesundheitsförderliche Auswirkung und unterstützt die Ackerbauern und den Gartenbau“

Cem Özdemir

Agrarminister

Ausdrücklich begrüßenswert sei zudem, dass die Zukunftskommission um des sozialen Ausgleichs willen auch eine Senkung der Mehrwertsteuer bei pflanzlichen Produkten angedacht habe. „Das hätte eine gesundheitsförderliche Auswirkung und unterstützt die Ackerbauern und den Gartenbau“, so Özdemir.

Vorschlag soll Scholz vorgelegt werden

Ob der Plan der Kommission umgesetzt wird, bleibt indes abzuwarten: Am Donnerstag soll der Vorschlag Bundeskanzler Olaf Scholz präsentiert werden. Nach den Bauernprotesten im Winter will dessen Ampelregierung bis zum Sommer eine Agrarreform aufgleisen. Ausweislich eines Entschließungsantrags der Bundestagsfraktionen von SPD, Grünen und FDP aus dem Januar soll es dabei auch um die Finanzierung von Stallumbauten gehen.

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Insbesondere die FDP hatte sich dabei in der Vergangenheit aber gegen eine Steuerfinanzierung ausgesprochen. Gero Hocker, agrarpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, wollte das Eckpunktepapier vor dessen Veröffentlichung nicht kommentieren.



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