Brüssel. Nach dem Rauswurf von 14 Amazon-Lobbyisten aus dem EU-Parlament haben mehr als 20 Gewerkschaften und Verbände ein umfassendes Verbot von Amazon-Lobbyarbeit im Parlament gefordert. In einem Brief an den Generalsekretär des EU-Parlaments, Alessandro Chiocchetti, der dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt, fordern sie eine Ausweitung der Maßnahmen gegen den US-Konzern.

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So sollen Amazon-Lobbyisten auch nicht länger als Besucher ins Parlament gelangen dürfen und für Amazon tätigen Personen von Unternehmensberatungen der Zutritt bis auf Weiteres verwehrt werden. Mindestens 20 Unternehmen sind für Amazon in Brüssel laut Transparenzregister tätig. Nach dem Ausschluss aus dem Parlament dürfe sich Amazon den Zugang nicht über diese Lobbyfirmen erkaufen, sagt Bram Vranken von der Organisation Corporate Europe Observatory. „Wir brauchen ein umfassendes Lobbyverbot.“

Amazon korrigiert Angaben: Lobbybudget steigt um 60 Prozent

Besonders brisant ist, dass Amazons Lobbyarbeit bei der EU in Brüssel offenbar viel umfangreicher ist als bisher bekannt. Erst kürzlich musste der Konzern seine verpflichtenden Transparenzangaben korrigieren. „Das Sekretariat des EU-Transparenzregisters ermittelt derzeit gegen Amazon, weil das Unternehmen versäumt hat, über seine Mitgliedschaften in mehreren Thinktanks zu berichten, und dabei wohl ein zu geringes Lobbying-Budget angegeben hat“, sagte Oliver Roethig, Regionalsekretär des europäischen Gewerkschaftsverbands UNI Europa, dem RND. „Vor einigen Tagen hat Amazon nun auf einmal seine Angaben im Transparenzregister von mindestens 2,75 Millionen auf 4,5 Millionen Euro erhöht.“

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Für Vranken, der Amazon schon lange beobachtet und die EU-Behörden auf die falschen Angaben aufmerksam gemacht hat, ist das kein Einzelfall. „Amazon hat sein Lobbybudget seit Jahren eindeutig zu niedrig angegeben“, sagte er dem RND. „Diese Art von falschen und irreführenden Angaben behindert eine ordnungsgemäße öffentliche Kontrolle der Lobbyarbeit des Unternehmens in der EU und zeigt einmal mehr Amazons Missachtung unserer demokratischen Institutionen.“ Auf RND-Nachfrage sagte eine Amazon-Sprecherin: „Wir aktualisieren unseren Eintrag im EU-Transparenzregister im Einklang mit den Leitlinien.“

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Mit einem Besucherausweis ins EU-Parlament?

Das EU-Parlament hatte vor zwei Wochen den 14 Mitarbeitern des US-Handelsriesen die Hausausweise gesperrt, nachdem sie trotz mehrfacher Vorladung nicht im Beschäftigungsausschuss erschienen waren. Dort sollten sie über die Arbeitsbedingungen Auskunft geben und zu Vorwürfen Stellung nehmen. Aus Unternehmenskreisen erfuhr das RND, dass Amazon die Möglichkeit von Besucherausweisen nutzen will. Schließlich gebe es kein vollständiges Verbot.

Amazon hatte sich über den Entzug der Hausausweise enttäuscht gezeigt und beteuerte, mit dem Parlament zusammenarbeiten zu wollen. Der Konzern bot den Abgeordneten damals einen Besuch im Amazon-Lager für April an – ein Zeitpunkt, zu dem wegen der Europawahl jedoch gar keine Delegationsbesuche mehr stattfinden dürfen. Die Abgeordneten sahen darin eine gezielte Provokation.

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Im Brief an den Generalsekretär des Parlaments fordern die Gewerkschaften nun, die Ausweise der Amazon-Lobbyisten erst wieder freizugeben, wenn diese zu einer Anhörung des Ausschusses erschienen sind und einer Delegation Zugang zu Logistikstandorten in Deutschland und Polen gewähren.

Es war das zweite Mal in der Geschichte des EU‑Parlaments, dass Lobbyisten der Zugang verwehrt wird. Beim ersten Fall betraf dies Vertreter des Chemiekonzerns Monsanto 2017.



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