Die Grünen hatten noch Verhandlungsbedarf, stimmen jetzt aber zu: Im Bundestag ist der Weg frei für die Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes.
BERLIN taz | Die Ampelkoalition hat offenbar ihren Streit über die geplanten Bezahlkarten für Geflüchtete beigelegt. Man habe sich „auf eine gemeinsame Gesetzesgrundlage“ geeinigt, teilten die stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktionen von SPD, Grünen und FDP am Freitagnachmittag mit. Damit werde „der Wunsch der Länder umgesetzt.“
Schon lange können Kommunen Sachleistungen statt Bargeld an Geflüchtete ausgeben oder auch Bezahlkarten einsetzen – die meisten haben es aber wegen des Verwaltungsaufwands und der Kosten bislang nicht getan. Im Herbst hatten die Regierungschefs der Länder mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Einführung einer bundeseinheitlichen Bezahlkarte beschlossen.
Die Grünen waren sich daraufhin mit den Koalitionspartnern uneinig, ob dafür eine Gesetzesänderung notwendig sei oder nicht. Anfang März hatte sich das Bundeskabinett dann auf einen Entwurf für die Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes verständigt, den die Grünen-Fraktion aber erst noch „ganz in Ruhe“ beraten wollte.
Er sieht vor, dass die Karte als Form für den Empfang von Sozialleistungen künftig ausdrücklich im Gesetz genannt wird. Zugleich soll die Einsatzmöglichkeit erweitert werden, indem auch Asylsuchende, die nicht in Gemeinschaftsunterkünften leben, bevorzugt die Karte statt Geldleistungen erhalten können.
Man setze die von der Ministerpräsidentenkonferenz getroffenen und vom Kabinett beschlossenen Vereinbarungen „ohne inhaltliche Änderungen um“, betonte nun Lukas Köhler (FDP). „Bezahlkarten waren bisher auch schon möglich, aber wir haben nun noch einen gemeinsamen, rechtssicheren Rahmen geschaffen“, erklärte Dagmar Schmidt (SPD). Dieser sichere, „dass alle notwendigen Bedarfe vor Ort frei gedeckt werden können – mit Karte oder als Geldleistung“.
Kabinett ließ Punkte offen
„Das Taschengeld für den Schulausflug, das Busticket, um zum Ausbildungsplatz zu kommen, der Strom- oder Internetanschluss – all das muss bei der Einführung von Bezahlkarten vor Ort garantiert werden“, erklärte Andreas Audretsch (Grüne). Man habe nun gesetzlich verankert „dass das Existenzminimum und die Teilhabe von Menschen garantiert ist“.
Im Kabinettsentwurf waren allerdings einige Punkte offen geblieben, die im Bundestag abschließend geklärt werden sollten. Dazu gehört die Frage, ob bei Personengruppen wie Erwerbstätigen, Auszubildenden oder Studierenden eine Ausnahme von der Bezahlkarte gemacht wird.
FDP und auch Union zufolge soll die Bezahlkarte Anreize für „irreguläre Einwanderung“ unterbinden. Die Rolle solcher sogenannter „Pull-Faktoren“ ist allerdings wissenschaftlich nicht belegt.
Armut vergrößern und Teilhabe verhindern
Die Karte soll nicht nur Überweisungen an Schleuser, sondern auch in die Herkunftsländer der Geflüchteten unterbinden. Der Mediendienst Integration geht allerdings davon aus, dass vor allem Geflüchtete mit Jobs solche Rücküberweisungen vornehmen. Auf Nachfrage der Linken-Abgeordneten Gökay Akbulut hatte die Bundesregierung im Februar selbst erklärt, ihr lägen keine Daten zum Umfang von Überweisungen in Herkunftsländer vor, die durch Asylbewerberleistungen finanziert sind.
NGOs und Sozialverbände hatten die Pläne der Bezahlkarte heftig kritisiert. Die Arbeiterwohlfahrt und der Paritätische etwa warnten in einem offenen Brief, die Einführung werde „Armut vergrößern und Teilhabe verhindern“. Pro Asyl erklärte, die Kommunen erhielten „große Freiheiten, Menschen zu diskriminieren“. Bemängelt wird unter anderem, dass vielerorts in Deutschland überhaupt nicht ohne Karte gezahlt werden kann – auf Märkten etwa oder auf Second-Hand-Plattformen im Internet. (mit epd)