Die Grimme-Preise stehen für
Spitzenqualität im Fernsehen. Am Freitag erhielten während einer Gala im Marler Stadttheater
insgesamt 17 Produktionen die undotierte, aber hochrenommierte Auszeichnung. Die Auszeichnung für hervorragende “Bewegtbildproduktionen mit
fernsehgemäßer Gestaltung” wurde in diesem Jahr zum 60. Mal in den Kategorien Fiktion,
Information und Kultur, Unterhaltung, Kinder und Jugend sowie als
Besondere Ehrung vergeben.

Siham El-Maimouni, die den Abend auch moderierte,
bekam einen Preis für eine Spezial-Ausgabe der Sendung mit der Maus in
Marokko, der Heimat von Maimounis Eltern. Zur Verblüffung des Publikums zog sie mitten in der Moderation ihre
hohen Schuhe aus und verließ die Bühne. Kurz danach kam sie als
Preisträgerin auf Strümpfen wieder herein. Moderatorin Sarah Bosetti übernahm für Maimounis Laudatio das
Mikrofon. “Die ziehe ich nicht wieder an”, sagte Maimouni mit
Blick auf die unbequemen Schuhe, als sie wieder auf der Bühne stand, und moderierte anschließend ohne Schuhe weiter. Der elegante und augenzwinkernde
Sprecherwechsel war typisch für eine Grimme-Verleihung, bei der erstmals in der 60-jährigen Geschichte des Preises mehr Frauen als Männer zu den Preisträgern zählten. 

Auch Sarah Bosettis eigene Show Bosetti Late Night, die Sendung mit dem
“Bullshit-Knopf” fürs Publikum, wurde ausgezeichnet. Die Jury lobte die Dynamik, mit der die Moderatorin klassische Late-Night-Formate sprenge.

Neben Bosettis Show erhielt die Pilotfolge der Talkshow Der letzte Drink mit Anna Dushime
einen Grimme-Preis. Die Schwarze Journalistin hatte darin Roberto
Blanco an der Cocktail-Bar interviewt. Auf die Frage, ob nach der
Pilotsendung jetzt weitere folgen, konnte sie allerdings
keine Antwort geben. “Es fehlt bei schwarzen Menschen nicht am Talent,
sondern an Gelegenheiten”, sagte Dushime.

Preis für Kriegstagebuch einer Kinderärztin

Zu den ausgezeichneten Sendungen zählt auch Ukraine – Kriegstagebuch einer Kinderärztin. Der Film begleitet die Arbeit der Ärztin Vira Primakova auf der Intensivstation eines Kinderkrankenhauses in Lwiw. Als “überaus wertvollen Beitrag zur Me-Too-Debatte” lobte die Jury den Film Nichts, was uns passiert, der ebenfalls einen Grimme-Preis bekam. Darin geht es um den Vorwurf der Vergewaltigung nach einer Party.

Die Serie Sam  Ein Sachse über einen afrodeutschen Polizisten in Sachsen wurde ebenfalls ausgezeichnet. Die Serie basiert auf einem realen Fall. Hauptdarsteller Malick Bauer dankte von der Bühne dem realen früheren sächsischen Polizeibeamten Samuel Meffire für den “intensiven Austausch” für die Serie. “Die erste große afrodeutsche Serie, die schon so lange überfällig war”, lobten die Juroren.

“Mehr Mut, Dinge auszuprobieren”

Für ihre besondere journalistische Leistung wurde die ARD-Korrespondentin in Istanbul, Katharina Willinger, geehrt. Sie habe hartnäckig etwa über das Leid nach dem Erdbeben in der Türkei berichtet, auch wenn die meisten Kameras schon weitergezogen seien, lobte die Jury. Willinger ist auch für den Iran zuständig. Es sei sehr schwer, dort zu arbeiten, weil Journalisten und ihre Informanten unter ständiger Beobachtung stünden, sagte sie im Interview.

Mit Ausnahme von der Ehrung der drei Hauptdarstellerinnen der Serie Die drei !!! von  Disney+ gingen alle Preise an öffentlich-rechtliche Sender. Privatsender erhielten keinen Preis. Die gesamte Branche stehe finanziell unter Druck. Als Folge würden etwa in der Unterhaltung erfolgreiche Formate aus dem Ausland eingekauft und für Deutschland adaptiert, hatte die Grimme-Jury-Vorsitzende für die Unterhaltung, Amna Franzke, gesagt. “Wir wünschen uns mehr Mut, Dinge auszuprobieren.”

Institut in Schwierigkeiten

Auch das Grimme-Institut steckt in
Finanzschwierigkeiten. Im November war bekannt geworden, dass das Institut für
2024 ein Defizit in Höhe von 430.000 Euro
erwartete. Bereits 2023 musste
das Land Nordrhein-Westfalen einen Fehlbetrag von 323.000 Euro
ausgleichen. Ein sechsstelliges Finanzloch für das laufende
Jahr konnte nur mit Gehaltsverzicht der Mitarbeiter geschlossen werden.
Der zweite große Wettbewerb des Hauses, der Grimme
Online Award für Qualitäts-Produktionen im Internet, droht wegen
Geldmangels in diesem Jahr auszufallen.

Rein haushalterisch sei der
Online Award in diesem Jahr nicht möglich, sagte Grimme-Chef Peter Wenzel. Er werde aber trotzdem nach neuen Möglichkeiten und Chancen suchen. Wenzels Ernennung war erst am Vortag bekannt gegeben worden. Seine Vorgängerin Frauke Gerlach nahm nach zehn Jahren
an der Spitze des Instituts aus Gesundheitsgründen nicht an der Gala teil. Wenzel
ist Sozialdezernent im nahe gelegenen Datteln und übernimmt das Amt
kommissarisch und ehrenamtlich. Gesellschafter des Instituts sind neben dem Land NRW die Stadt Marl, die
Film- und Medienstiftung NRW, die Landesmedienanstalt NRW, der Deutsche
Volkshochschulverband sowie die beiden öffentlich-rechtlichen Sender
WDR und ZDF.



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